Das hier ist ein WIP, Finger weg!
Für viele Diskordianer ist der Diskordianismus nicht ihre einzige oder gar primäre Religion, und manche von uns hängen auch anderen, nicht-religiösen, aber ebenso chaotischen oder neophilen Ideen, Gruppen oder Kulten an. Es gibt diskordianische Chaosmagier, diskordianische Thelemiten und sogar diskordianische Satanisten, und auch manches Mitglied von Anonymous bekennt sich zum Diskordianismus (und umgekehrt). Insbesondere in letzter Zeit habe ich eine immer wieder aufwallende Tendenz zum Versuch der Bildung von synkretischen und ökumenischen Gruppen in der unübersichtlichen Landschaft der chaotischen Kulte bemerkt, die nicht selten auch von Diskordianern ausging. Die Anhänger von Aktion 23, dem größten deutschsprachigen diskordianischen Netzwerk, das seinem Gründer Bratislav Metulewskie zufolge bereits seit dem YoLD 3161 oder 3162 existiert, hatten während des letzten Jahrzehnts den Hang entwickelt, auch andere Gottheiten (eine ähnliche Neigung hin zur Bildung eines Pantheons gab es auch schon bei der Church of the SubGenius - vielleicht gerade, weil die Wurzeln ihrer Bewegung auch mit denen des Diskordianismus verbunden sind?) und Ideen mit einzubeziehen und diverse „Nebenkulte“ für alte und neue spirituelle Entitäten zu hervorzubringen, inklusive eines Systems, um solche neuen Kulte und Entitäten überhaupt zu entwickeln. Ein Projekt namens EHNIX, das Erisian Holistic Network for Intersubjective eXchange (kurz EHNIX) war eine von Ixxie von Chao um 3179 gestartete Initiative zum Aufbau eines dezentralen Netzwerkes von Kabalen und Individuen und arbeitet auf Basis von FluxCraft, einer Plattform für interdisziplinäre Zusammenarbeit and Projekte in Gebieten wie Nachhaltigkeit, Dezentralisierung, Zufälligkeit, (Anti-)Fragilität, soziokultureller und genetischer Evolution, (Verhaltens-)Ökologie, Anarchismus, Pragmatismus, Skeptizismus, Empirismus und nicht-dualem Mystizismus. Fluxcraft zielte dabei nicht ausschließlich auf Diskordianer, sondern arbeitete generell auch eng mit einigen nicht-diskordianischen Chaotisten zusammen. The ASSBUTT, kurz für The Association of Silly Spiritualists, Bonded in Truth and Trust ist schließich gar der Versuch, Gläubige verschiedener humorvoller, jüngerer, chaotischer Religionen wie Diskordianer, SubGenii, Dudeisten und Pastafaris gemeinsam zu versammeln. Ins Leben gerufen von einer Fraktion brasilianischer Diskordianer um den ominösen und beinahe omnipräsenten Timóteo Pinto, hat die Gruppe insbesondere in Brasilien bereits ein recht aktives Netzwerk aufgebaut. Und dann gibt es noch Einzelkämpfer wie den Esoterik- und Homöopathie-kritischen Mr. MIR, der in seiner FSMoSophie Elemente von Pastafarianismus und Diskordianismus mit anderen parodistischen Ideen vereint.
Mögliche Punkte zum Anknüpfen sind zahlreich: Dudeisten dürften mit den entspannteren Zenarchisten unter den Diskordianern zurechtkommen (hey, beide Religionen wurden auf die eine oder andere Art auf einer Bowlingbahn geboren), während manch lauterem Diskordianer (vielleicht auch jenen mit Hang zum Zirbelismus?) die Gesellschaft der SubGenii eher zusagen könnte. Insbesondere die Geschichte und die Mythologien von Diskordianern und SubGenii sind bereits eng verknüpft. Sowohl Pastafarismus als auch der Glaube an das Unsichtbare Pinke Einhorn haben den Ruf der „Religion für Atheisten“, und Chaosmagier können sich prinzipiell an jeder Form von Glauben bedienen, der ihnen zusagt. Und subversives, disruptives und parodistisches Vorgehen ist insbesondere den Diskordianern, den SubGenii, den Pastafari, und den Anhängern des Unsichtbaren Rosa Einhorns gemeinsam.
Natürlich gibt es dabei auch mögliche Inkompatibilitäten: So mancher Pastafari ist in eigentlich ein rationalistischer Atheist (mit mehr oder weniger Humor), der mit praktizierenden Chaosmagiern nichts zu tun haben will, und zwischen Diskordianern und SubGenii ist oftmals eine Haltung zu beobachten, wie man sie typischerweise zwischen zankenden Geschwistern findet. Doch diese Reibungspunkte zwischen den Bewegungen sind oft nicht größer als diejenigen innerhalb der Bewegungen. „Wir Diskordianer müssen auseinanderhalten“ ist weniger ein Gebot als viel mehr eine Beobachtung von Konsequenzen, die sich aus einer gewissen Mentalität ergeben. Es ist aber durchaus möglich, diese Differenzen zu überwinden, um voneinander zu lernen, und natürlich bedeutet eine Kooperation mit einer Gruppe auf einem Gebiet nicht zwangsläufig eine Annäherung auf anderen. Ein wenig Pragmatismus könnte helfen.
Und das bringt uns zu genau dem Punkt: Warum? Warum sollten wir uns zusammentun? Nun, wir können alle voneinander lernen, voneinander profitieren, miteinander Spaß haben. SubGenii wissen, wie man große, offizielle Parties macht. Da gibt es Devivals, X-Day Drills und X-Days, da spielen SubGenii-Bands und Leute werden wegen der Teilnahme an diesen Festivitäten sogar verklagt. Allerdings steckt bei den SubGenii als hochkommerzialisierter Religion ja auch Geld dahinter. Wir Diskordianer schienen beim (Dis-)Organisieren größerer Feste lange Zeit eher mal zu failen, allerdings hat spätestens Festival23 ja jetzt bewiesen, dass wir auf dem Gebiet auch anders können. Dafür haben wir auch vorgemacht, wie man 50 Jahre nie ganz von der Bildfläche verschwindet und sich dabei immer wieder ein bißchen neu erfindet. Als „Parodiereligion“ so lange zu überleben, müssen andere erst mal hinbekommen. Beispielsweise die Pastafaris. Die haben den Zeitgeist getroffen, aber vielleicht müssen sie noch lernen, mehr als ein „One-Hit-Wonder“ zu werden und sich vom rein satirisch-trotzigen Standpunkt aus wegzuentwickeln, wenn sie wirklich überleben wollen als irgendeine Form von Bewegung. Falls sie das überhaupt wollen. Aufgrund des häufig atheistisch-rationalistisch geprägten Hintergrundes seiner Mitglieder könnte sich der Pastafarismus auch schnell wieder in Wohlgefallen auflösen. Aber vielleicht ist das auch gar nicht schlecht, vielleicht müssen der Pastafarismus erst in Vergessenheit geraten und wieder neu ge-/erfunden werden, bevor er eine beständige Form jenseits des Hypes entwickelt. Einem ähnlichen Problem könnten die Dudeisten gegenüberstehen, aber mit ein wenig Glück könnten sie auch einfacher rauskommen: Die „memetische Basis“, die der Film bietet, ist recht klein, sie können inhaltlich durchaus noch breiter werden. Und ich meine, mit „breit werden“ müssten sie sich auskennen.
Aber da geht noch mehr! Wenn man in der Öffentlichkeit gemeinsam, aber trotzdem als unterschiedliche Gruppen auftritt, kann man mehr Interesse generieren als mit einer Einzelgruppe. Ron Oxymo nannte es eine „getrennt marschieren / vereint zuschlagen“-Strategie. Auf diese Art ist der Ausbruch ungewohnter Ideen größer, die Überwältigung der „Normalos“ durch das Fremde, Unnormale - uns - ist krasser. Statt mit einer Gruppe von „Spinnern“ werden die nichtsahnenden Durchschnittsbürger plötzlich mit einer komplett neuen Welt konfrontiert. Diese noch zu ignorieren oder davor wegzulaufen wird schwieriger, sie können sich eher entscheiden, dagegen kämpfen - oder, besser noch: Neugierig werden auf das Neue, das ja offenbar so viele Leute anzieht. Anfangen, an der Realität zu zweifeln.
Stickhpunkte für später:
18. Okt 2017, 20:25 | Ron Oxymo: @Bwana: Hab grade deinen Artikel durchgelesen und finde die Idee sehr gut. Mit der „getrennt marschieren / vereint zuschlagen“-Strategie ließen sich bestimmt schöne Synergien erzeugen. Leider sehe ich da momentan wenig Erfolgschancen. Wir Discordier schaffen es ja kaum uns untereinander zu vernetzen…
18. Okt 2017, 20:29 | Ron Oxymo: Vielleicht ließe sich da noch ein alter Traum von mir integrieren: Mindfuck-Flashmobs!
18. Okt 2017, 20:33 | Ron Oxymo: Die Idee: „Normalität“ entsteht ja durch Gruppen-Konsens. Wenn ein „Normaler“ sich also plötzlich in einer Gruppe wiederfindet, die sich auf die gleiche Weise „unnormal“ verhält, kann ihn das dazu bringen, an seiner Normalität und bestenfalls sogar an der Realität zu zweifeln. Ron Oxymo in der Shoutbox
19. Dez 2017, 12:13 | K!A.o.S.: Zum letzten Abschnitt; erläuterung von Rons Aussage : Dadurch lässt sich auch medienstrategische Planung durchführen. Durch die Unterschiedlichkeit der Ausführungen einzelner Gruppen unter Einigung auf wenige geteilte Ziele fliesst so der Kern der Anliegen in politischen Entscheidungsfindungsprozessen Leichter Koheränt zusammen.
19. Dez 2017, 12:18 | K!A.o.S.: Zudem kennt jede Cabal ihre Legionäre und Legionäre in Rekrutierung am Besten und kennt die Befehle, denen sie Blind gehorchen K!A.o.S. in der Shoutbox