So. Ich versuche jetzt noch mal, an dem Punkt wieder einzusteigen, wo ich zuletzt ausgestiegen war. Insbesondere, weil's da noch um das ursprüngliche Thema des Threads ging.
fehlgeleitet hat geschrieben:Gerechtigkeit ist eine dumme Forderung, denn sie ist immer eine Frage des subjektiven Maßstabes. Setz mal einen Muslim, ein Nazi und eine*n Genderaktivist*Innen an einen Tisch und lass sie mal über Gerechtigkeit diskutieren
OK, das ist jetzt wieder so rhetorisches herumgestochere gewesen. Wir können das ja mal umdrehen: Du möchtest lieber ungerecht behandelt werden? Wirklich? Glaub' ich dir nicht.
Ja,
natürlich ist Gerechtigkeit subjektiv, Interpretationssache und sicher auch Verhandlungssache, und so was wie "absolute Gerechtigkeit" gibt's nicht. Sind eigentlich alles Punkte, die ich für nicht mal klärenswert halten würde. Aber eine Welt, in der Ressourcen, Arbeit, Wohlstand etc. halbwegs gerecht verteilt sind, so daß das Leben für
alle erträglicher ist... sorry, wenn du
das nicht willst, dann ist was auch immer du forderst aus meiner Sicht dumm. Nicht die Forderung nach Gerechtigkeit, wie du sagst.
Aber ganz ehrlich: Das war gerade auch ein totaler Nebenkriegsschauplatz, das Wort hattest du überhaupt erst in die Diskussion geworfen, und so sehr ich es einerseits richtiggestellt haben wollte, so sehr hab' ich das Gefühl, wieder total viel Energie verschwendet zu haben.
Egal. Weiter im Text. Mal sehen, wie lange ich es aushalte.
fehlgeleitet hat geschrieben:Bwana Honolulu hat geschrieben:fehlgeleitet hat geschrieben:Würde ich so nicht akzeptieren. Ich bin natürlich priviligiert im Vergleich zu der REWE-Kassiererin, aber wenn ich mir beispielsweise die Frauen anschaue, die mich beim Jobcenter herumkommandieren, so halte ich diese für priviligierter als mich. Die haben meist eine Festanstellung und können ne ruhige Kugel schieben.
Jo, aber wenn du dir jetzt vorstellst, daß
du die Festanstellung hättest und die ruhige Kugel schieben könntest, hättest du dann nur aufgrund deines Geschlechtes einen irgendwie gearteten Vorteil gegenüber diesen Frauen? Ich würde sagen, ja. Die beruflichen Netzwerke von Männern sind z.B. generell immer noch stärker, d.h. bei 'ner Beförderung, Gehaltserhöhung o.ä. würdest du vermutlich eher berücksichtigt werden als eine Frau, die genauso gut ist in dem Job.
Argumentierst du jetzt für das Ideal der freien Konkurrenz?
Herrje,
nein.
Wo siehst du bitte, daß ich für so ein Ideal argumentiere? Wo?? Ich habe das Gefühl, du siehst wieder nur, was du sehen willst. Was ich sage, ist einfach nur: Wenn du den Platz dieser Frau einnehmen würdest, und alle Bedingungen für euch gleich wären, nur halt, daß du ein Kerl bist und sie 'ne Frau, dann wärst du insgesamt gesellschaftlich betrachtet nur deines Geschlechts wegen "am längeren Hebel".
(Pardon.
) Ja, es gäbe
ein paar Punkte und Gesellschaftsbereiche, in denen sie dir immer noch voraus wäre, aber trotzdem sehe ich den Vorsprung immer noch bei uns Männern.
Und auch, wenn unsere Gesellschaft grundlegend umgewälzt wird auf formeller Ebene und wir den Kaputalismus und die Demokratur abschaffen, dann wären wir immer noch dieselben Leute mit diesen geschlechterbildern im Kopf, und würden uns immer noch gegenseitig entsprechend behandeln. Vielleicht hört
diese Gesellschaftsform irgendwann auf, zu existieren, aber Verhaltensweisen sind Gewohnheiten und stecken tief drin in den Menschen.
fehlgeleitet hat geschrieben:Chancengerechtigkeit ist auch nichts positives, aber auch nichts negatives. Was ist denn erreicht, wenn ein paar Frauen mehr einen Job haben, dafür aber ein paar mehr Männer arbeitslos sind? Doch der gleiche Scheiß wie vorher.
Das ist halt einfach nicht mein Punkt.
fehlgeleitet hat geschrieben:Soll ich nun auch noch jubeln, wenn die Arschlöcher (ist das jetzt Genderneutral?
) in den Führungspositionen Frauen sind? Fühlt sich die Arbeitshetze wenn sie von einer Frau vorgegeben wird besser an? Meinst du nicht, die Frau als Chef diskriminiert andere Frauen genauso, wie ein männlicher Chef das tun würde?
Hab' ich alles nicht behauptet. Aber bei dir klingt es umgekehrt, als seien diese Frauen
schlimmer als Männer in diesen Positionen. Oder
warum wendest du dich so explizit gegen sie?
Arschlöcher werden Arschlöcher bleiben, aber wenn trotzdem Frauen als gleichwertiger angesehen werden, dann ist aus meiner Sicht schon
etwas gewonnen. Vielleicht auch für später, für die Zeit nach einer wie-auch-immer gearteten Revolution.
fehlgeleitet hat geschrieben:Das Patriachat ist imho eine feministische Verschwörungstheorie, die daraus Resultiert das sie ihre Diskriminierung in der freien Konkurrenz nicht als betriebswirtschaftliche Entscheidung begreifen, sondern als archaischen Chauvinismus.
All deine Kritik fokussiert sich immer
nur auf Arbeit und Wirtschaft, aber das menschliche Zusammenleben hat nun mal auch noch andere Aspekte. Wenn du das mit der Arbeit etc. gelöst hast, sind die anderen Probleme nicht automatisch weg.
fehlgeleitet hat geschrieben:Gegen gute Taten sage ich nichts. Man sollte nur nicht hoffen, damit den Faschismus zu verhindern
... weil Gesellschaft und Staat von den Menschen losgelöstes Abstrakta sind, deren Willkür wir unterliegen und die irgendwann beschließen, daß jetzt auf Faschismus umgeschaltet werden muss? Sorry, kann ich nicht nachvollziehen. Aber diese Art der Kritik hast du, glaube ich, schon von mehreren Seiten erhalten.
fehlgeleitet hat geschrieben:genauso wie private Seenotrettung an dem Sterben im Mittelmeer nichts ändert.
Das ist nicht nur ziemlich zynisch, sondern auch falsch. Ja, die Flüchtlingszahlen sind zurückgegangen, aber die Daten, die ich gesehen habe, zeigen da keine Korellation mit dem Ende der Seenotrettung. Stattdessen stirbt halt ein größerer Prozentsatz derer, die es versuchen, und wenn ich mich richtig erinnere, gab es
da schon eine Relation. Also, beendet die Seenotrettung das Sterben? Nein. Rettet sie Menschenleben? Ja, natürlich. Haben wir gerade die Möglichkeit, eine globale Revolution zu starten, die das Sterben beendet? Realistisch betrachtet? ... Nein? Also
was?
Verstehe ich das richtig, du kritisierst, daß Leute Menschen vor dem Krepieren auf dem Meer retten? Oder
was meinst du? Bin auf deine Antwort gespannt und hoffe, es kommt jetzt nicht bloß irgendwas von wegen ich würde die Moralkeule rausholen oder so.
fehlgeleitet hat geschrieben:Bwana Honolulu hat geschrieben:Es gibt Untersuchungen darüber, wie z.B. die Abkehr vom generischen Maskulinum das Denken verändert. Wenn du Leuten sagst, sie sollen sich mal 'ne Gruppe Studenten skizzieren, dann wird die überwiegende Mehrheit ein paar Kerle auf's Papier bringen. Schreib' so was wie "Student_innen", und das passiert nicht mehr. Ja, ich finde "Student_innen" ist keine schöne Form, sie nutzt ein blödes Sonderzeichen und es gibt keine schöne Regelung, wie man diese Form ausspricht. Aber du vermeidest damit, daß bei irgendwelchen Plänen die Leute nur Männer vor Augen haben und weibliche Bedürfnisse übersehen, weil Männer derzeit halt immer als der Standard betrachtet werden und Frauen als die Ausnahme. Genauso bei Ideen wie sexueller Ausrichtung. Ich erinnere mich noch an eine Zeit, wo Leute zwar oft wussten, was "homosexuell" bedeutet, aber Heterosexualität einfach nur als "normal" bezeichnet wurde, wodurch Homosexualität (und andere Ausrichtungen wie Bi-, Pan- und Asexualität) automatisch als unnormal betrachtet wurden. Mittlerweile ändert sich da was im Denken der Leute. Wenn du nicht mehr "normal" bist, weil du männlich, weiß, hetero, cis etc. bist, dann sind die anderen automatisch schon mal nicht mehr "unnormal". Das ist ein kleiner Schritt, aber er macht einen Unterschied. Er hat für mich jedenfalls einen gemacht. Und ähnlich ist es, wenn du Leute nicht mehr selbstverständlich mit negativ konnotierten Begriffen bezeichnest, oder ihre Eigenschaften ganz selbstverständlich als negativ darstellst.
Die wichtigste Form der Diskriminierung, die darauf beruht das man keine Kohle hat, geht derweil munter weiter.
Man darf keine andere Form der Diskriminierung bekämpfen, solange man
diese Form nicht abgeschafft hat?
fehlgeleitet hat geschrieben:Auch wenn Frauen ideell geehrt werden, ändert das nichts an der Rechnungsweise die in dieser Gesellschaft herrscht.
Wat, "ideell geehrt"? Hast du den Textblock, den zu da von mir zitiert hattest, überhaupt gelesen?
fehlgeleitet hat geschrieben:Das Dumme ist nur, dass wir in einer Konkurrenzgesellschaft leben, es liegt also nicht an einem Mangel an Reflektion oder Kommunikation, sondern dass im Kapitalismus der Erfolg des einen der Schaden des anderen ist.
Ich hab' das Beispiel mit den sexistischen Vorurteilen gebracht, die sich in der Sowjetunion gehalten haben. Ein Abschaffen der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft löscht dieses Denken nicht aus. Aber wenn du jetzt auch schon aktiv daran arbeitest, denke ich, daß du unterdrückte, aber für Veränderung offene Gruppen eher auf deine Seite ziehen kannst für so eine Veränderung. Eher als diejenigen, die jetzt eh' schon an der Macht sind und dementsprechend prinzipiell gegen Veränderung sind. Denk' mal in Begriffen von Massenträgheit und Reibung - was sich bereits bewegt, bewegt sich auch einfacher weiter als eine ruhende Masse.
So, das war der Punkt, an dem ich stehengeblieben war. Ich hoffe, was ich sagen wollte, wird jetzt klarer.