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Re: Lesekreis: Das Kapital

Verfasst: 6. Juli 2018, 17:50
von Cpt. Bucky Saia
Ich finds gut das GSP offensichtlich in der Lage ist auch mal an der anderen Seite Kritik zu üben. Als wehrmutstropfen bleibt allerdings das es wieder aufs alte "die anderen sind schuld" hinausläuft.

Re: Lesekreis: Das Kapital

Verfasst: 6. Juli 2018, 19:33
von Bwana Honolulu
Naja, was sollen sie sonst kritisieren? Sie waren ja nie selbst an der Macht. :roll:

Re: Lesekreis: Das Kapital

Verfasst: 6. Juli 2018, 19:39
von Cpt. Bucky Saia
Kommunisten waren nie selbst an der Macht :kopfkratz:

Re: Lesekreis: Das Kapital

Verfasst: 6. Juli 2018, 19:46
von Bwana Honolulu
:facepalm: Sorry, die Frage wäre genauso blöd, wenn du "Menschen waren nie selbst an der Macht?" fragen würdest. Der GSP vertritt ja offenbar ziemlich andere Standpunkte und Prinzipien als das UdSSR-Regime, auch, wenn beide das "Kommunismus" nennen, von daher ist es vielleicht ein bißchen kurzsichtig und auch unfair, die einfach über einen Kamm zu scheren.

Re: Lesekreis: Das Kapital

Verfasst: 8. Juli 2018, 00:56
von fehlgeleitet
Kapitel 6+7:

Gorbi kommt zu dem Ergebniss, dass seiner eigenen Partei nicht mehr zu trauen ist und richtet ein Gegengewicht ein, indem er die Macht der Soviets stärkt, also der regionalen Räte. Diese sollen eine Art "Kontrolle von unten" gegen "egoistische Bürokraten" gewährleisten.

Dies löst aber vor allen Dingen einen Kampf um die Macht aus, weil überhaupt nicht mehr klar ist, wer für was zuständig ist. Parteifunktionäre versuchen nun Soviets zu werden, aber auch Antikommunisten, Christen und Nationalisten und alle Arten von Spinnern und Sonderlingen, die G. Aufruf nach Kritik und Demokratie folgen.
G. möchte Pluralismus zulassen und schmeißt alles über den Haufen, für dass die UDSSR 70 Jahre lang stand.

Das erzeugt Gestalten wie Jelzin, die sich als Ultra-Reformer produzieren, aber auch rechtsradikale Gruppierungen, die regionalen Nationalismus vertreten und die Abspaltung von der UDSSR fordern. Das führt soweit, dass sich ganze Landstriche von der zentralen KP lossagen und es an verschiedenen Brennpunkten zu Progromen und innersovietischen Flüchtlingsströmen kommt. G. schreitet jedoch nicht ein, sondern meint eine neue Art "Föderation" gründen zu können, indem er versucht die regionalen Führer von der Sinnigkeit eines Überregionalen Bündnisses zu überzeugen.

Das Scheitert jedoch kläglich, weil die regionalen Führer die anderen Regionen nur als Konkurrenten und Schmarotzer sehen, denn das Land befindet sich ja laut G. Reformen in einer tiefen Wirtschaftskrise und er selbst hat dafür gesorgt die Schuld an dieser Krise bei einzelnen Personen oder Personengruppen zu suchen. Das spielt den Rechtsradikalen in die Hände, die die Schuldigen immer in der Nachbarregion ausgemacht haben wollen.

Zugleich knickt G. vor dem Westen ein und gibt Osteuropa komplett auf, ohne das die Nato irgendwelches entgegenkommen zeigt. Das Militär befindet sich in Auflösungserscheinung, es ist zwar immer von Putsch die Rede, aber dazu kommen tut es nicht.

Die Wiederkehr des Nationalismus ist kein Zufall, die Soviets sind völkischem Gedankengut immer recht halbherzig entgegengetreten und haben es sogar befördert, um den sozialistischen Wettbewerb anzustacheln. Die alte Hebelwirtschaft hat also dafür gesorgt, die Widersrpüche in der Bevölkerung zu vertiefen anstatt sie aufzulösen.

Eins kann man der UDSSR jedenfalls nicht nachsagen, nämlich das es sich um einen "verknöcherten Apparat" handele. Die "Reformen" des G. sind eine totale Auflösung des Staates, es tobt der absolute Ausnahmezustand und G. ist nicht willens einzuschreiten oder bestenfalls nur halbherzig. Es kommen widersprüchliche Befehle. Die Rote Armee wird ausgesandt und wieder auf halbem Wege zurückgeschickt, die Regionen verselbstständigen sich unter Beifall des Westens.

G. entgleitet die Situation.

Re: Lesekreis: Das Kapital

Verfasst: 9. Juli 2018, 02:40
von fehlgeleitet
Kapitel 8 und Nachwort:

Die SU ist zugunsten der GUS abgeschafft, doch der wirtschaftliche Erfolg will sich einfach nicht einstellen. Kaum ein sovietischer Betrieb erweist sich als rentabel für die ausländische Kapital, außer die heimischen Rohstoffe und dementsprechend werden die Waffenbestände der roten Armee zur Handelsware.

Die Nationalisten, die auf den Westen gesetzt haben kriegen heraus, dass sie nur gegeneinander ausgespielt worden sind. Gegen die Marktwirtschaft des Westens können sie einfach nicht konkurrieren, es bleibt ihnen nichts anderes übrig alles was nicht Niet- und Nagelfest ist zu verscherbeln und sich so um den letzten Rest der eigenen Produktionsmittel zu bringen.

Die Leistungen Gorbis sind also:

1) Den Kommunismus zu beerdingen, auch als Idee wird er außer von einigen Exoten nicht mehr ernstgenommen
2) Marktwirtschaft und Demokratie einzuführen, was sich in Verarmung und Progromen äußerte
3) Der NATO und der USA die letzte Schranke zu nehmen, sie ist nun unbestrittener Weltregent. Die USA fühlt sich nun dazu ermächtigt jedes Land was ihnen nicht passt zurück in die Steinzeit zu bomben, denn die sowjetische Friedensmacht gibt es nicht mehr.

und schließlich:

4) den Westen zu spalten. Ohne SU endet auch der Grund des Westens auf Bündnisstreue.

Der GSP sagt Trump also schon 1992 vorraus, sowie den Krieg gegen den Islam. Letzteren haben wir hinter uns, weil die Islamisten alle in Aschehäufchen verwandelt wurde, der Krieg der Imperialisten gegeneinander steht kurz bevor.

Letzte Frage: Was trieb diesen Mann an? Gorbi schielte neidisch auf den Westen und die "Erfolge" des Kapitalismus und kam zum Ergebniss: "Das will ich auch."
Dabei schien es ihn auch überhaupt nicht zu stören, dass all diese "Erfolge" durch Gewalt und Ausbeutung erkauft wurden.

Gorbis Ideal vom Staat war also das einer maximal mächtigen Zentrale, die Bevölkerung dient als bloße Reccource Arbeitskraft. Der Umbau dazu ist ihm eben mißlungen, es blieben nichts als Trümmer, um die sich dann Jelzin kümmern konnte und die dann letztendlich zum Nationalisten Putin führten - was der GSP damals natürlich noch nicht wissen konnte, aber was sich fast automatisch aus diesem Buch ableiten lässt.

Und die Moral von der Geschicht: Kommunismus und Staat vertragen sich nicht.

Re: Lesekreis: Das Kapital

Verfasst: 10. Juli 2018, 14:57
von fehlgeleitet
http://www.mlwerke.de/me/me19/me19_013.htm

Karl Marx
Kritik des Gothaer Programms

Marx kritisiert die deutsche Arbeiter Partei und ihren Theoretiker Lassale für einige Schnitzer in ihrem Programm.

"Ein gerechter Lohn für eine gerechte Arbeit" ist keine sinnvolle Forderung für eine Arbeiterpartei, weil "Gerechtigkeit" erstens ein ziemlich subjektiver Begriff ist und zweitens die Produktionsverhältnisse bereits die Distribtion bestimmen, wie wir in seiner Einführung in die politische Ökonomie gesehen haben.
Lassale spricht von einem "eheren Lohngesetz" in diesem Zusammenhang und unterliegt also dem Irrtum, dass es die Arbeit sei, die mit einem Lohn vergolten würde. Stattdessen weist Marx nach, dass der Lohn einzig dazu dient die Arbeitskraft zu reproduzieren und sich also nicht aus der eigentlichen Arbeit ableitet.

Der Zusammenhang von Wertgesetz und Lohn ist also ein indirekter und unterliegt nicht einer Verfälschung, wie Lassale annahm.

Weiterhin bewegt sich Lassalle auf einem reformerischen Niveau, mit seinem Internationalismus ist es nicht weit her, er hofft also auf einen Kompromiss mit dem bürgerlichen Staat, verbleibt mit vielen seinen Forderungen im unkonkreten und verfälscht Aussagen aus dem kommunistischen Manifest, um seine Sektierei zu rechtfertigen.

Re: Lesekreis: Das Kapital

Verfasst: 28. Juli 2018, 01:04
von fehlgeleitet
http://mlwerke.de/tr/1931/311208a.htm

Mal einen Text von Trotzki

Trotzki warnt 1931 vor dem baldigen Staatsstreich der Nazis und rät der KPD zusammen mit der SPD zu kämpfen. Und bei diesem taktischen Bündnis nicht die grundlegenden Differenzen zu vergessen.
Thälmann hat seiner Meinung nach schon aufgegeben.

Re: Lesekreis: Das Kapital

Verfasst: 6. September 2018, 13:01
von fehlgeleitet
Das notwendig falsche Bewußtsein:

Marx sagt, dass Ideologie ein notwendig falsches Bewußtsein ist.

Falsch ist dieses Bewußtsein, weil Ideologie dazu dient, die Prinzipien nach denen diese Gesellschaft funktioniert anzuerkennen anstatt diese Prinzipien zu analysieren und so von der wissenschaftlichen Objektivität abweicht. Notwendig falsch ist es, weil diese Ideologien wollen, dass die Ausbeutung bestehen bleibt, die Abhängigkeit der Massen an das Kapital also gerechtfertigt wird und nur aus diesem Grund werden Ideologien generiert.

Beispiel:
1) In den Zeitungen steht, der Kapitalist ist dafür da um Arbeitsplätze zu schaffen, dabei interessiert ihn nur seine private Gewinnrechnung.
2) Die Massen denken, der Arbeitsplatz wäre ihr Mittel, um in dieser Gesellschaft zurecht zu kommen, dabei bleibt die Arbeit bis zur Rente eine Qual, wenn man ihn überhaupt solange halten kann.
3) Die Wirtschaftswissenschaft sagt, dass Geld wäre eine Tauschmittel, dabei ist das Geld dafür da die gesellschaftlich notwendige Arbeit zu kommandieren
4) ... usw usf.

Deswegen ist das Bewußtsein derjenigen, die diese Urteile teilen, ein falsches Bewußtsein. Klassenbewußtsein entsteht, wenn die Massen merken in was für einer scheußlichen Situation sie sich befinden und die Situation nicht mehr schönreden wollen.
Die Massen gelangen häufig zu diesem falschen Bewußtsein, weil sie nunmal von den Kapitalisten abhängig sind, und sich aufgrund ihrer Abhängigkeit die Welt so zurechtlegen, dass sie nicht in Konflikt mit ihrer Abhängigkeit geraten.
Die Frage ist, ob ihnen diese affirmative Tätigkeit dabei irgendwie hilft. Ich behaupte nein, die affirmative Tätigkeit hilft überhaupt nicht. Die affirmative Tätigkeit dient nur den Institutionen die sie ausbeuten, aber nicht den Ausgebeuteten selbst.
Deswegen bringt es den Massen auch nichts, die Sitten ihrer Ausbeuter zu übernehmen, dass ist dann bloß ein Cargo Kult für sie, der Ausbeuterklasse hilft es tatsächlich, dass die Ausgebeuteten sich in diesem Cargokult betätigen, da sie so freiwillig an ihrer Ausbeutung mitmachen.

Beispiel:
1) Der Streber kriecht dem Lehrer in den Arsch, weil er gute Noten will und legt sich deswegen auch das entsprechende Schleimerbewußtsein zu, in der die Schule und der Unterricht einem hohen Ideal dient, den es in Wirklichkeit nicht hat. Er könnte auch viel cooler sein, und sich seinen Teil denken.
2) Der Hartz4-Empfänger meint er müsse schleunigst eine Arbeit finden, weil das Amt das so will. Er hat ein schlechtes Gewissen von seiner Faulheit, damit er auch bemüht genug wirkt, weil er fürchtet das das Amt ihm die Stütze streicht. Er könnte auch stattdessen sich an einer unabhängigen Stelle informieren, was seine Rechte sind.
3) Der religiöse Mensch hat die Befürchtung in der Welt nicht zurecht zukommen, wenn er seine Religion aufgibt. Und weil man in dieser Welt nicht zurechtkommen kann, bleibt er halt bei seiner Religion und versucht sich einzureden, dass es Gott wirklich gibt und er für all seine Mühen belohnt wird. Er könnte auch stattdessen aufgeben, in dieser Welt zurechtkommen zu wollen, jedenfalls was er bisher darunter versteht.
4) usw. usf.

Nun gibt es kommunistische Parteien(MLPD, DKP, SGP) die Versuchen mit dem notwendig falschen Bewußtsein zu operieren. Also die Illusionen in denen der Mensch lebt dafür zu nutzen, ihn anderweitig zu instrumentalisieren. Beispielsweise wenn sie an den Gerechtigkeitssinn appelieren. Diese Gesellschaft ist nicht gerecht, aber die Massen legen sich ihr Weltbild so zurecht, als wäre sie es.
Nun könnte man den Arbeiter dazu animieren seinen Gerechtigkeitssinn von der Gesellschaft durchzusetzen, um ihn in einen kämpfenden Zustand zu bringen, ihn dabei aber in seinem notwendig falschen Bewußtsein zu belassen.

Andere Kommunisten(GSP) meinen dieser Ansatz wäre völlig falsch, da diese Illusionen eben nicht beliebig zweckentfremdet werden kann, sondern nur dem Zweck dient, für den es erschaffen wurde. Ein notwendig falsches Bewußtsein fällt also immmer wieder in die Rolle des Lohnarbeiters zurück, solange das notwendig falsche Bewußtsein nicht aufgehoben wird.
Die theoretischen Kommunisten haben dann aber das Problem, dass sie keinen Zugang zu den Massen finden weil diese sie überhaupt nicht verstehen können.

Re: Lesekreis: Das Kapital

Verfasst: 8. September 2018, 04:37
von Tarvoc
fehlgeleitet hat geschrieben:Die theoretischen Kommunisten haben dann aber das Problem, dass sie keinen Zugang zu den Massen finden weil diese sie überhaupt nicht verstehen können.
Das ist noch nicht mal das Kernproblem dieses Ansatzes, sondern eher ein Symptom. Nehmen wir mal an, die Theoretiker könnten den Leuten vermitteln, wie ihr Bewusstsein ein "falsches Bewusstsein" (übrigens kein Marxscher Ausdruck, sondern ein Adornoscher) ist. Dummerweise ist damit in der Praxis überhaupt noch nichts getan - sogar noch nicht mal eine bestimmte Praxis vorgegeben. Der Zwang von Markt, Konkurrenz und Lohnarbeit ist ja nicht schon damit aufgehoben, dass man die Leute über den Warenfetisch und die Ausbeutung aufklärt. Ideologiekritik ohne politische Praxis führt letztlich einfach zur "reinen Ideologie" des kapitalistischen Realismus, bei dem man die Illusionen, an die man nicht mehr glauben kann, zusammen mit den Verhältnissen, zu denen sie gehören, trotzdem weiter perpetuiert, weil man überhaupt keine Alternative sieht - und sich dann vielleicht damit begnügt, abends am Stammtisch mit Freunden auf die EZLN oder Chavez oder Rojava oder sonst irgendeine linke Bewegung am anderen Ende der Welt anzustoßen.