Der Diskordianismus feierte seine erste Blüte in den Sechziger- und Siebzigerjahren in der Zeit, in der auch die postmoderne Ideologie noch neu war. Seine zweite Blüte feierte er in den späten Neunzigerjahren, also der Zeit, als die postmoderne Ideologie etwa fünf Jahre nach dem Zusammenbruch des osteuropäischen Totalitarismus einen neuen Höhepunkt erreicht hatte. Der Diskordianismus dieser beiden Episoden war daher auch sehr durchdrungen von ähnlichen Denkweisen. Sehr oft wurde die diskordische Aktion primär als symbolischer Akt verstanden und man hoffte, durch Interventionen letztlich rein symbolischer Art, also innerhalb der symbolischen Ordnung selbst, die nicht wirklich die Substanz dieser Ordnung berührten, sondern eher kleine Merkwürdigkeiten darstellten, das Denken der Menschen zu erweitern. In seiner zweiten Phase wurde dieser Glaube durch die neuen, "devianten" Kulturen der Hacker und Programmierer, die in ihrer täglichen Arbeit tatsächlich mit reiner Symbolik materiale Veränderungen zu bewirken glaubten, zusätzlich gefüttert. Viele dieser Leute sind heute gut verdienende, produktive und integrierte Mitglieder der symbolischen Ordnung der kapitalistischen Gesellschaft, für die das Wort Diskordianismus höchstens eine Jugendsünde bedeutet so wie für andere Leute das Gläserrücken oder urbane Legenden am Lagerfeuer. Im besten Falle sehen sie ihn als pseudospirituelle New Age Parodie, zu der sie in der Mittagspause ablachen wie zu Funpics und Lolcats, ohne dass sie sie wirklich beträfe. Von Hagbard Celines Ausspruch "Nichts ist wahr, bevor es dich nicht zum Lachen bringt, aber du verstehst es nicht, bevor es dich nicht zum Weinen bringt" wollen sie nur noch den ersten Teil kennen: Diskordianismus ohne Substanz, spirituelle Light-Cola, vergleichbar mit Büchern wie "Zen für Manager". All dies zeigt das fundamentale Scheitern ihres Ansatzes.Tarvoc hat geschrieben:Was heute zu fordern und zu hoffen ist, sind Akte jenseits des Guten. Nicht "jenseits von Gut und Böse", sondern einfach jenseits des Guten.
Der Diskordianismus von damals liegt in einem Koma, aus dem er nicht erwachen wird. Seine eigene Zaghaftigkeit und Substanzlosigkeit in Kombination mit der Sogwirkung der postmodernen Ideologie hat ihn erledigt. Wir sollten so gnädig sein, ihm die Geräte abzuschalten und uns neu zu erfinden. Wir, die Diskordier von heute, können nicht mehr die netten, lustigen und transparenten ELFen von damals sein. Wir sind zu Dunkelelfen geworden, die an den dunklen Orten der Welt wandern, um ihre verdrängten Wahrheiten und fundamentalen Phantasmen wieder ans Licht zu bringen. Wir wandern in den Schatten, wo niemand sonst wandert. Auch wir bedienen uns der Symbolik und Ideologie der herrschenden Ordnung, wo wir es für angebracht halten. Aber wir benutzen sie, um den Menschen ihre verdrängten und verheimlichten dunklen Schattenseiten zu zeigen. Unser Wille, Schock und Verwirrung zu erzeugen und aufzurütteln, sind ungebrochen. Wir haben nur unsere Vorstellungen davon korrigiert, wie das zu erreichen sei. Durch nette Ansprachen und dadurch, dass man sagt, was ohnehin schon jedem klar ist, erreicht man niemand. Ein Flugblatt, das einfach nur über bestehende Zustände jammert, über die auch jeder andere sich beklagt, wird von uns nicht verteilt! Ein Flugblatt, ein Aufkleber, ein Wort, der oder das uns sagt, welche verdrängten Wahrheiten und welche fundamentalen Ideologeme mit diesen Zuständen verknüpft sind, werden wir jedoch mit dem ungebrochenen, unzerstörbaren Enthusiasmus derer, die keine Hoffnung haben, in alle Himmelsrichtungen getragen.
In dieser Situation ist es auch Zeit, die dunklen Seiten des Chaos und der Göttin mehr zu betonen. Eris ist keine New Age Göttin, keine gendergenormte postmoderne Karrierefrau, keine Gaia oder Göttermutter, die gleiche Gültigkeit und Diversität vortäuschen und in Wirklichkeit jede Unterscheidung im Nebel der Gleichgültigkeit untergehen lassen würde. Eris ist vielmehr militant, streitsüchtig, geradezu dickköpfig und beharrt um des bloßen Beharrens willen stur auf ihren Positionen und Idealen, selbst wenn niemand mehr sie auch nur im Ansatz versteht. Die anderen griechischen Göttinnen sind nicht Inkarnationen verschiedener Aspekte von Ihr, und so etwas zu behaupten grenzt an Blasphemie. Wenn man Sie unbedingt mit anderen Göttern vergleichen oder in Verbindung bringen will, so soll man Sie mit den uralten Wesen und älteren Göttern aus den kranken Phantasien H.P. Lovecrafts vergleichen, die im Schatten der Welt liegen und lauern: Uralt, undurchschaubar, unfassbar und unfassbar schrecklich. Ihr direkt in die Augen zu blicken ist keine gute Idee, wenn einem die eigene körperliche, geistige und seelische Gesundheit lieb ist, und wenn der Diskordier es dennoch tut, dann um neue Wege zu finden, mit ihr umzugehen. Er steht heute also als "verschwindender Vermittler" zwischen dem reinen, psychotischen Wahnsinn und einer spätkapitalistischen Normalität, die von Wahnsinn immer weniger unterscheidbar wird.
In gewisser Weise ist der Diskordier von heute der einzige, der noch geistig gesund ist.
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Sankt Angrémonn dem Hastigen, KSC, Indirektor der Alten Illusionierten Seher von Bonn.