[Schiff] Diskordianismus als De- und Rekonstruktion (...)

Was denken Diskordier, und wenn ja wie viele?
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Edith
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[Schiff] Diskordianismus als De- und Rekonstruktion (...)

Beitrag von Edith »

Eigentlich "Diskordianismus als Dekonstruktion und Rekonstruktion (...)", passte aber mal wieder nicht.
Unayko hat geschrieben:Je mehr ich darüber lese, desto offensichtlicher scheint mir Diskordianismus ein mögliches Gegengift zum Nihilismus zu sein.


Der Begriff des Nihilismus ist einer mit dem viel um sich geschmissen wird. Dadurch entstehen oft Vergewaltigungen dessen, wofür er steht. Er entspringt einem oft negativ besetzten Ursprung, der aber zum Teil auch berechtigt ist, welcher seine Bedeutung weiter verschleiert. Nichtdestotrotz bezieht er sich auf ein sehr präsentes Phänomen. Etymologisch gesehen geht die Bedeutung des Ausdruckes weit zurück in die Geschichte, doch die Verbindung die heutzutage eher besteht ist die des von Kierkegaard und Nietzsche geprägten Begriffes.


Diese beriefen sich auf den Nihilismus als Prozess der Nivelierung, in dem die individuelle Einzigartigkeit aufhört zu existieren und die persönliche Existenz zu definieren ein unmögliches Bestreben darstellt. Im modernen Verständnis stellt Nihilismus nicht nur die Aufhebung der Bedeutung der Welt, eines höheren - bindenden Ideals oder Plans, sondern auch von jeglichen zukünftigen Bedeutungen des Lebens dar. Einige der theoretisch-psychologischen Gründe die einen zum Nihilismus führen können sind die Unfähigkeit Schmerz, Konflikte oder Antagonismen zu ertragen. Da diese Dinge aber leider einen Teil unserer Welt darstellen wendet sich der Nihilismus der Welt ab, in der Suche nach einer imaginären Welt in der diese Mängel nicht existieren - ein transzendenter und vollkommener Ort.



Nihilismus steht in einer engen Beziehung mit Religionen, ist aber nicht vollkommen in ihnen inkorporiert. Obwohl Nietzsche zurecht darauf hingewiesen hat, dass dieses Prinzip im Herzen der Jüdisch-Christlisch-Islamischen Kultur verankert ist, wird das alleinige Auslöschen oder die Reduktion der Anwendung dieser Dogmen dessen Präsenz nicht auslöschen. Im Gegenteil; die Schwächung des Glaubens hat zu einer Unterteilung des Nihilismus geführt, die Nietzsche als "stark" und "schwach" bezeichnete. Die schwache Variante wurde vorhin schon angesprochen; das Individuum wird passiv und gleichgültig der Welt gegenüber, gibt seine Leidenschaften und Werte auf und verliert somit fast all seinen Willen und Lust.

Der "starke" oder radikale Nihilismus verhält sich dem konträr gegenüber. In ihm hängen die Menschen so stark an ihre Leidenschaften und Werte, dass sie dazu kommen die Welt zu hassen, da sie ihren Vorstellungen nicht gerecht werden kann, mündend in einem tiefen Wunsch die Welt in der sie leben zu zerstören.


Eine gewisse Symmetrie ist es Wert in dem Kontext nochmal hervorgehoben zu werden; die zwischen dem jetzigen 'westlichen Lebensstil' und dem radikalen Fundamentalismus. Der Imperativ der in unserer Gesellschaft herrscht ist der der Mäßigung. Gemäßigte politische Entscheidungen. Gemäßigte Betätigung. Gemäßigte religiöse Ansichten. Alles muss saniert werden, sicherheitskonform, angenehm und flauschig. Das Zeigen jeglicher Überzeugungen oder Leidenschaften, insbesondere der radikalen Sorte, wird von der Gesellschaft abgelehnt und als gefährlich eingestuft (sowohl wegen der Angst vor dem Versagen als auch vor dem Erfolg irgendeiner radikalen Lösung oder Aktion). Wir suchen sogar mit unangenehmen Nebeneffekten versehende Lebensmittel zu bekämpfen - von genetisch modifizierten Zwiebeln, die einen nicht zum weinen bringen, bis hin zu Coke Diet. Man kann alles haben was man will, solange es nicht radikal oder extrem ist... solange die Wirkungen kontrolliert und unterjocht werden können.


Und auf der anderen Seite des Spektrums sind die religiösen Heuchler. Die islamischen Kamikazebomber, die ohne Gedankenbisse in die Menge springen, die christlichen Terroristen die kein Problem damit haben Massenvernichtungswaffen an sich zu reissen, die jüdischen Extremisten die willig sind eine Mädchenschule in die Luft zu Jagen, und noch stärkere Ausprägungen (vgl. Aum Shinrikyo) die man nichtmal erwähnen muss.


Die zerschmetterte, abtrünnige und sündenerfüllte Welt die sie umgibt macht sie krank... vorallem weil sie eine angebliche direkte Verbindung zu gott und dem was er wirklich denkt haben um es dem gegenüber zu stellen. Durch gewaltätige doch letztendlich wirkungslose Aktionen hoffen sie darauf sich von der Gesellschaft zu trennen die sie so sehr hassen. Dieser Wunsch nach dem Nichts kann sowohl nach innen, als auch nach aussen gekehrt erscheinen. Ein Amoklauf fällt hierbei in dieselbe Kategorie des Nihilismus wie alle anderen der hier angeführten Beispiele. Das was der radikale Nihilist am meisten hasst ist das Leben und die Gesellschaft die vom passiven Nihilisten erschaffen wird.


Daraus folgen zwei verschiedene Typen die, obwohl sie denselben Ursprung haben, nicht kombinierbar sind. Gleich und gegensätzlich können sie sich nie verbünden - nie eine Einigung treffen. Dennoch konstituieren beide unsere Welt. Gibt es irgendeine Methode um aus dieser Situation zu entkommen? Sie zu brechen und endlich aus der Asche eine neue Form zu bilden, hinter der sich neue, grünere Wiesen verbergen?


Ich denke, dass es möglich ist. Ich denke sogar, dass die Lösung des Problems sich im Nihilismus selbst finden lässt.


Paraphrasiert ist das Problem folgendes; der Nihilismus muss negiert werden, was keine einfache Aufgabe ist. Oder, um es anders auszudrücken, muss Antinihilismus ein Nihilismus höherer Ausprägungen sein, in dem Ausmaß, dass es seine eigenen Prämissen hinter sich lassen kann. Antinihilsmus, oder wenn man so will, der perfekte Nihilismus, muss noch eine weitere Komponente in sich tragen: es muss nicht nur die alten Werte zerstören sondern auch eine Umwertung von dem Prozess wie wir unsere Werte überhaupt festlegen inkorporieren. Antinihilismus muss den Fokus wieder ins hier und jetzt bringen und die metaphysischen und tranzendentalen Realitäten hinter sich lassen, um die Realität in der wir leben zu erfassen.


Ich glaube, dass der Diskordianismus diese Aufgabe bewältigen kann.


Diskordianer sehen Ordnung und Unordnung nicht als absolute Werte. Sie glauben daran, dass die Ordnung/Unordnung/Chaos-Synthese eine Beschreibung der Welt ist, der Art wie sie funktioniert, agiert und reagiert und wie wir diese wahrnehmen. Dies hat automatisch zur Folge, dass Diskordianimus nicht zur Sparte der theologisch-transzendentalen Theorien gehört, sondern der der immanenten philosophischen. Immanenz ist grob dadurch bezeichnend, dass es keine 'supplementären Dimensionen' oder andere Instanzen die unsere Realität definieren beinhaltet. Es gibt nur eine Realität und sonst nichts.


Antinihilismus bestätigt somit die Welt indem es den Hammer gegen diese Hirngespinste und Illusionen, die uns mit verführerichen, doch letztendlich leeren Versprechen von internen und externen Werten quälen.


Aber es muss noch mehr gemacht werden. Der Akt der Kreation benötigt die, vorhin erwähnte, Zerstörung, um die falschen Götzen des Nihilismus zu entfernen. Der Diskordianismus billigt nicht nur, sondern empfiehlt eindringlich den Akt der Schöpfung, insofern, dass manche sogar behaupten die beiden wären dasselbe. Und dadurch, dass der Diskordianismus aus dem Gesichtspunkt von Ordnung/Unordnung und Zerstörung/Schöpfung (= Chaos) arbeitet ist er in einem sehr starken Sinne, "jenseits von Gut und Böse". Dies heißt nicht, dass 'Gut' und 'Böse' als Konzepte oder Beschreibungen gemeint sind, sondern eine Negation der ordnenden Moral dieser Welt.




Das Einführen der Begriffe von Gut und Böse hat einen bestimmten theologischen (und dementsprechend transzendentalen) Unterton. Obwohl Ordnung von Diskordianern als eher negativ belastet betrachtet wird, ist es meist auf einer subjektiven, also einer individuellen Ebene. Weil die meisten Diskordianer Ordnung als einen natürlichen, und dementsprechend notwendigen, Teil der Welt betrachten. Wo, wann und für wen, aber, sind andere Fragen die oft kontextabhängig sind. Immanenz, um es nochmals zu betonen, ist hier ein latenter Faktor - der Transzendenz keinen Halt bietend.

Chaos erkennt Teleologie nicht an. Eris befiehlt ihren Aposteln nicht sich zu befreien, sie sagt ihnen, dass sie es bereits sind. Was sie mit dieser Information letztendlich anfangen ist ihnen überlassen. Teleologie bietet Methoden an um transzendentale Werte zu säkularisieren, durch Utopiepostulate in der Zukunft. Dagegen weist Chaos darauf hin, dass es keine ewige Kategorien, absolute Wahrheiten oder zeitlose Fakten gibt, und, dass Veränderungen nicht auf einer Gerade von Evolution zum Fortschritt reduziert werden kann.



Und, vielleicht am wichtigsten, ist die Tatsache, dass sich Diskordianismus fast perfekt mit der Theorie des Agonismus deckt. Im krassen Gegensatz zu den meisten politischen Theorien, postuliert der Agonismus, dass Konflikte eine permanente Eigenschaft der Gesellschaft sind und daraus folgt nicht die Frage wie man Konflikte verschwinden lässt - wie in den meisten Theorien, von liberalen zu faschistischen, die auf einen gemeinsamen Nenner abzielen - sondern wie man dieses Potential für Konflikte richten kann um es in einer positiven Art und Weise einzusetzen. Statt Feindseligkeit und Konflikte einen freien Spielraum zu lassen, was, ohne Aufsicht, die Zerstörung des kompletten sozialen Systems zur Folge haben könnte, lässt der Agonismus Konflikte in einem gewissen begrenzten Rahmen, aus Umgangsformen den gegnerischen Partien gegenüber, zu. Die Erkenntnis, dass Konflikte zum Teil irrational sind und nie komplett verschwinden werden ähnelt sehr der diskordianischen Synthese aus Ordnung und Unordnung zum Chaos - eine Dialektik ohne einen finalen Beschluss oder Endabschnitt, weil ein Sieg von entweder Ordnung oder Unordnung über den jeweils anderen Teil verheerend sein würde.


Eine agonistische Gesellschaft würde der Beziehung zwischen Ordnung und Unordnung sehr ähneln. Solch eine Gesellschaft würde einen Bund von Prinzipien ablehnen, die von Demagogen und Tyranen ausgenutzt werden könnten. Es würde eine totale Entfaltung des Ausdrucks von Differenzen und Dialog zulassen - eine Rückkehr zu solchen Werten und Passionen die der passive Nihilismus zu negieren sucht. Der Agonismus führt wieder Wettstreit und Debatten in eine, durch Konsenz, Bilateralismus, "das Beste im Interesse von allen", und dem pathologischen Wunsch alles sicher und unradikal zu machen, abgestumpfte Gesellschaft ein.



Nihilismus ist meines Erachtens nach das Opium des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Es ist sehr einfach der Apathie zu verfallen - sich in der eigenen Welt, bestehend aus Bequemlichkeiten und schönen Dingen, zu verstecken. Gleichwertig einfach ist es einfach einen Hass gegenüber allem was einen umringt zu hegen, weil es nicht den eigenen kindischen und unrealistischen Ideen der Welt entspricht, bis zu dem Punkt in dem man den Abgrund zwischen Erwartung und Realität nicht mehr überbrücken kann und die Frustration als destruktives und grausames Ergebniss geäussert wird.


Ich glaube an einen dritten Weg; durch die Weisen der 'kreativen Zerstörung' die der Diskordianismus fordert können alte Werte fallen und neue entstehen, bis auch diese sich als ungeeignetes Modell entpuppen und die Notwendigkeit entsteht auch sie aus der Welt zu bannen. Und so weiter und so fort.
Mr. Smoking Mirror hat geschrieben:Sehr schön den Begriff Nihilismus mal wieder in Zusammenhang mit dem Diskordianismus zu lesen...

Wenn ich alles richtig verstehe, sagst du, den Diskordianismus als transzendierten bzw. verbesserten Nihilismus zu betrachten.

Ich bin in der Vergangenheit auch des öfteren dem "passiven Nihilismus" verfallen. In Tagen des Nachdenkens, wenn mir alles iwie total sinnlos erschien und ich mich unfähig fühlte daran etwas zu ändern. Das ist wie ein großes tiefes Loch in einem selbst, vor dem man sich verweigert es zu schließen.

Aber ich möchte auch auf einen anderen, sehr subtilen, aber im Gegensatz dazu sehr erholsamen Nihilismus hinweisen - dem Zen-Buddhismus.
Er ist für mich eine Form "praktiziertem Nihilismus`es". Diese Momente, wenn man sich mal wieder aufraffte zu meditieren oder spontan in den "Beobachten ohne zu interpretieren/handeln ohne Fokus auf Resultate" oder einfach Zen-Modus (lol fällt mir gerade beim Schreiben ein) verfällt, der ja das meiste von Zen ausmacht.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass all das Nachgrübeln über die Welt mich überrollt oder allgemein das "Denken" die überhand gewinnt. In solchen Phasen merke ich oft, dass dadurch meine anderen Persöhnlichkeitsanteile unterdruckt werden. Vor allem das spontane reagieren auf Reize von Außen…d.h einfach nur „Mensch“ sein – sich mal fallen lassen usw.
Zen hilft mir dabei einfach mal "raus" zu kommen, wenn ich total in Gedanken versumpft bin und ich meine Sicht auf die Realität mal wieder etwas "auflockern" möchte.

Ich würde also diesen Zen-Zustand, als positive Form des von dir beschreibenen "passiven Nihilismus" sehen, den du ja eher negativ dargestellt hast.
Unayko hat geschrieben:Obwohl Ordnung von Diskordianern als eher negativ belastet betrachtet wird, ist es meist auf einer subjektiven, also einer individuellen Ebene. Weil die meisten Diskordianer Ordnung als einen natürlichen, und dementsprechend notwendigen, Teil der Welt betrachten.
Hierzu hatte ich mal den Gedanken, dass der Diskordianismus seinen Foukus gerade deshalb auf die Unordnung (welches mit dem Verständnis für Ordnung, wie du schon sagtest, nur ein Aspekte menschicher Interpretation des großem "Chaos"..."dem was wirklich abgeht" ist) legt, weil es unter den derzeitigen Umständen die beste Strategie darstellt, um das momentan vorhandene System (ich hasse dieses Wort, da komm ich mir immer wie ein "Linker" vor) umzustrukturieren.
Im dem Zusammenhang hatte ich mal die (mehr oder weniger) lustige Vorstellung, dass, wenn die Welt in Trümmern liegen würde und Hobbes "Bellum omnium contra omnes" zozusagen vorherrsche, wir uns stadessen wohl "Cocordianisten" (nach der römischen Göttin der Eintracht) nennten würden, um mal wieder etwas "Ordnung" zu verbreiten.
Tarvoc hat geschrieben:
Unayko hat geschrieben:Ich glaube an einen dritten Weg; durch die Weisen der 'kreativen Zerstörung' die der Diskordianismus fordert können alte Werte fallen und neue entstehen, bis auch diese sich als ungeeignetes Modell entpuppen und die Notwendigkeit entsteht auch sie aus der Welt zu bannen. Und so weiter und so fort.
Jepp. Die Maoisten nennen das permanente Kulturrevolution. ;-)
Unayko hat geschrieben:
Mr. Smoking Mirror hat geschrieben:Hierzu hatte ich mal den Gedanken, dass der Diskordianismus seinen Foukus gerade deshalb auf die Unordnung (welches mit dem Verständnis für Ordnung, wie du schon sagtest, nur ein Aspekte menschicher Interpretation des großem "Chaos"..."dem was wirklich abgeht" ist) legt, weil es unter den derzeitigen Umständen die beste Strategie darstellt, um das momentan vorhandene System (ich hasse dieses Wort, da komm ich mir immer wie ein "Linker" vor) umzustrukturieren.
Im dem Zusammenhang hatte ich mal die (mehr oder weniger) lustige Vorstellung, dass, wenn die Welt in Trümmern liegen würde und Hobbes "Bellum omnium contra omnes" zozusagen vorherrsche, wir uns stadessen wohl "Cocordianisten" (nach der römischen Göttin der Eintracht) nennten würden, um mal wieder etwas "Ordnung" zu verbreiten.
Sehe ich genauso. Chaos ist das übergeordnete (die "wahre Wahrheit", wenn man so will. Essenz aus der alles geformt wird) und daraus entspringen Ordnung/Unordnung und die 'Aufgabe' der Diskordianer ist schlichtweg (sehr platt und nach eigener Interpretation natürlich) immer den ungerdrückten Pol zu verstärken. In Zeiten der Ordnung versinkt man also eher in Absurdität, Spontaneität und andere Arten der Handlung die diese Ordnung untergraben - daraus folgt, dass in einer Zeit in der die Unordnung 'regiert', Diskordianer sich der Ordnung widmen.

Zu Zen-Buddhismus; Ist das nicht eher eine Aufhebung der Realität? Also - in jeglicher Hinsicht. Also ein (momentanes?) löschen der Welt für sich, so wie auch Dinge wie Moral/Ideologie/etc. Ich glaube darin bietet sich ein sehr gutes Instrument zum Umsturz von Dingen die uns bei der Entwicklung aufhalten - gerade dadurch, dass wir sie unfokussiert und unbelastet betrachten können (kann man hier von einer Betrachtung aus einer 'Tabula Rasa-Perspektive' sprechen?
Ich muss zugeben mich nicht weitgehend mit Meditation auszukennen sondern eher mit der Theorie die das ganze Umhüllt. Leider Gottes ist mir entweder die Vorgehensweise nicht ganz klar oder ich bin ein sehr sehr ungeduldiger Mensch.
Tarvoc hat geschrieben:
Unayko hat geschrieben:Chaos ist das übergeordnete.
Chaos ist das Wort dafür, dass es kein Übergeordnetes gibt. Deshalb ist das Wort ja auch ein Plural, für den es keinen Singular gibt. Wink
Unayko hat geschrieben:In Zeiten der Ordnung versinkt man also eher in Absurdität, Spontaneität und andere Arten der Handlung die diese Ordnung untergraben - daraus folgt, dass in einer Zeit in der die Unordnung 'regiert', Diskordianer sich der Ordnung widmen.
Sorry, aber das würde ich einfach rundheraus bestreiten. Ich glaube nicht, dass sich die Position des Diskordiers (oder jedenfalls meine) einfach als Stellungnahme zur Opposition von Ordnung und Unordnung beschreiben lässt. Weder bezieht er einseitig Position für eine der beiden Seiten in dieser Opposition, noch geht es ihm darum, so etwas wie eine Balance herzustellen, schon deshalb nicht, weil die Idee der Balance bereits der Ordnungs-Seite angehört. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir es hier mit rein abstrakten Begriffen zu tun haben, die eine Anbindung an konkrete Inhalte noch nicht symbolisch verbindlich, sondern nur rein imaginär bzw. idiosynkratisch besitzen. So wie diese Opposition hier verwendet wird, ist sie überhaupt erst durch den Diskordianismus in die Welt gekommen.

Ob Ordnung und Unordnung überhaupt zueinander symmetrische Begriffe darstellen, ist übrigens auch gar keine so einfache Frage.
Unayko hat geschrieben:Ist das nicht eher eine Aufhebung der Realität? Also - in jeglicher Hinsicht. Also ein (momentanes?) löschen der Welt für sich.
Ob das der Zen-Buddhismus ist, weiss ich nicht, aber ich glaube, genau sowas brauchen wir heute.
Tarvoc hat geschrieben:Ach ja: Zum Begriff des Nihilismus empfehle ich übrigens "Die Sprache und der Tod" von Giorgio Agamben.
Unayko hat geschrieben:Zu Zen-Buddhismus; Ist das nicht eher eine Aufhebung der Realität? Also - in jeglicher Hinsicht. Also ein (momentanes?) löschen der Welt für sich, so wie auch Dinge wie Moral/Ideologie/etc.
Eigentlich ist es so, dass je mehr man über Zen spricht, sich umso weiter von ihm entfernt.
Aber ich versuche mich mal den ganzen "anzunähern"

Im Grunde genommen versucht man alle Konzepte die man von der Welt hat...nennen wir sie mal "Realitätskarten",
für einen Moment beiseite zu legen.
Paul Watzlawick spricht in seinen Arbeiten oft von "Realität erster Ordnung" und "Realität zweiter Ordnung".
Die erste Ordnung, stellt die "pure" Wahrnehmung unserer physikalischen Welt durch die Sinnesreize dar.
Die der zweiten Ordnung besteht aus den Vorstellungen/Zusammenhängen, die wir im Laufe des Lebens uns von dieser wahrgenommenen Welt machen.

Um in den "Zen-Modus" zu gelangen, versucht man für eine gewisse Zeit sich nur auf "den Moment" oder "Augenblick" zu konzentrieren.
Sozusagen das Bewusstsein nur in Bereich der ersten Ordnung zu bewegen und nicht auf den Karten der zweiten Ordnung.
Das is natürlich nicht ganz einfach, da unser Bewusstsein gewohnheitsgemäß immer wieder neue Gedanken produziert
- das Gehirn will einfach stets neu interpretieren und abgleichen, was es gerade wahrnimmt.

Zen ist die Kunst vom Nicht-Denken

Um sich mit dieser Art die Welt wahrzunehmen überhaupt anzufreunden, fängt man meistens mit der Meditation an.
Bei ihr geht es darum Gedanken schweifen lassen zu lernen, sie vorüberziehen zu lassen, nicht an ihnen zu verhaften etc.


...ich hoffe das ist einigermaßen verständlich
Tarvoc hat geschrieben:
Mr. Smoking Mirror hat geschrieben:Eigentlich ist es so, dass je mehr man über Zen spricht, sich umso weiter von ihm entfernt.
Eigentlich ist es so, dass, je mehr man über Zen schweigt, sich auch um so weiter von ihm entfernt...
Mr. Smoking Mirror hat geschrieben:Zen ist die Kunst vom Nicht-Denken
In dem Falle würde ich dringlichst davon abraten. ;-) Aber das ist es nicht. Zen ist oder will sein eine Kunst der Achtsamkeit.
Dass Zen oder Buddhismus was damit zu tun hätte, aufzuhören, zu denken, ist ein westliches Missverständnis. Im fernen Osten hat man einen anderen Begriff von "denken" als hier. Wenn man im Zen davon spricht, aufzuhören, zu denken, dann ist damit genau das gemeint, was man im Westen damit meint, wenn man sagt, dass das Denken sich nicht mehr auf Partikularinhalte, sondern auf sich selbst, sein eigenes Sein richtet - wie etwa bei Descartes' Cogito ergo sum. Der einzige wesentliche Unterschied ist allerdings, dass für Zen das Denken (bzw. das denkende Subjekt) kein "denkendes Ding" ist, sondern so eine Art Leerstelle oder Lücke/Riss in der Welt. Allerdings kommt die westliche Philosophie (und Psychoanalyse) heutzutage auch langsam an diese Stelle.

Es gibt z.B. durchaus einen (wenngleich ideologischen, aber dennoch ideengeschichtlich aussagekräftigen) Grund, warum viele dem Zen-Buddhismus angehörigen fernöstlichen Philosophie-Professoren so geil auf Heidegger sind und dicke Bücher über Heidegger und den Zen-Buddhismus schreiben.
Mr. Smoking Mirror hat geschrieben:
Tarvoc hat geschrieben:Eigentlich ist es so, dass, je mehr man über Zen schweigt, sich auch um so weiter von ihm entfernt...
Ja, es ist voller Paradoxien...aber je mehr man versucht zu sagen, was Zen "ist" es also zu beschreiben, umso weniger wird es jemand anderer verstehen. Ich würde sogar behaupten, dass es unmöglich ist Zen wirklich zu begreifen, wenn man es noch nie erlebt hat. Die ganzen Zen Koans haben ja gemeinsam, dass sie einem recht "Sinnlos" oder ohne "Aussage" erscheinen - sie wollen einem einen Tritt in die richtige Richtung geben.

Ein Mönch fragte Tozan: Was ist Buddha?
Tozan antwortete: Masagin (drei Pfund Flachs)

Tarvoc hat geschrieben:Zen ist oder will sein eine Kunst der Achtsamkeit.
Hat bei mir eindeutig in der Beschreibung gefehlt und triff auch eher zu, als die nicht-Denken Variante...
Tarvoc hat geschrieben:Im fernen Osten hat man einen anderen Begriff von "denken" als hier. Wenn man im Zen davon spricht, aufzuhören, zu denken, dann ist damit genau das gemeint, was man im Westen damit meint, wenn man sagt, dass das Denken sich nicht mehr auf Partikularinhalte, sondern auf sich selbst, sein eigenes Sein richtet.
Viele Menschen würden, nachdem sie einen Zen-Moment hatten, es am ehesten als "Nicht Denken" bezeichnen...
wenn der innere Dialog eine untergeordnete Rolle spielt oder ganz ausgeblendet ist.
Aber du hast schon recht wenn du sagst, dass es eher eine andere Art des "Denken" an sich ist.

Als ich anfing mich damit zu beschäftigen, kam ich mit der nicht-Denken Beschreibung trotzdem recht gut weg. Für die Praxis würd ich mal sagen, dass es da recht -egal- ist, nach was für einer Beschreibung man sich genau richtet. Irgendwann hat man einfach den Bogen raus.
Tarvoc hat geschrieben:
Mr. Smoking Mirror hat geschrieben:
Tarvoc hat geschrieben:Eigentlich ist es so, dass, je mehr man über Zen schweigt, sich auch um so weiter von ihm entfernt...
Ja, es ist voller Paradoxien...
Sicher, aber ich finde nicht, dass dieses konkrete Beispiel jetzt so besonders paradox ist. ;-)
Bwana Honolulu hat geschrieben:Möglicherweise relevant. Möglicherweise auch nicht.
Betrachtungsweisen von Betrachtungsweisen
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Tarvoc hat geschrieben:Auch Destruktion kann in bestimmten Situationen angebracht sein.
Bwana Honolulu hat geschrieben:
Tarvoc hat geschrieben:Auch Destruktion kann in bestimmten Situationen angebracht sein.
Destruktion ist immer ein wichtiger Bestandteil jedes kreativen Prozesses in einem voll deterministischen Universum. Wir können ja nur umformen, und wenn wir etwas erschaffen, zerstören wir zwangsläufig immer seine vorherige Form. Destruktion an sich ist nichts Schlechtes. Es kommt immer drauf an, was und warum man zerstört. Oder erschafft. Oder umwandelt, was alles dasselbe ist (nur halt mit unterschiedlicher Betonung).
Tarvoc hat geschrieben:Wer sagt, dass unser Universum deterministisch ist? Ich hab' da meine Zweifel. Und dafür brauche ich noch nicht mal unbedingt die Quantenphysik.
Bwana Honolulu hat geschrieben:
Tarvoc hat geschrieben:Wer sagt, dass unser Universum deterministisch ist? Ich hab' da meine Zweifel. Und dafür brauche ich noch nicht mal unbedingt die Quantenphysik.
Hab' ja nicht behauptet, daß es wirklich so ist. Aber hierfür ist es das einfachere und klarere Modell. Und: Was ist schon wirklich? ;-)
Tarvoc hat geschrieben:
Bwana Honolulu hat geschrieben:Und: Was ist schon wirklich? ;-)
Ich. ;-)
Bwana Honolulu hat geschrieben:
Tarvoc hat geschrieben:
Bwana Honolulu hat geschrieben:Und: Was ist schon wirklich? ;-)
Ich. ;-)
Purer Solipsismus. ;-)
Bwana Honolulu hat geschrieben:Ich bin gerade (ha-ha) noch mal auf den Determinismusgedanken gekommen, und wollte das noch mal hier festhalten... theoretisch gibt es 4 Prozesse, von denen 2 negativ sind (das die für sich allein deterministischen, weil nur umformenden Prozesse der Konstruktion und der De(kon)struktion, die je nach Betrachtungsweise beide dasselbe sind) und 2 (dis)positiv (nämlich Kreation und Annihilation, nichtdeterministische Schöpfungs- und Vernichtungsprozesse, aus dem Nichts und ins Nichts). Wenn wann ein in sich geschlossen vollkommen deterministisches Universum hätte, wären die beiden negativen Prozesse "menschlicher Natur", und die beiden anderen sozusagen "Gottesmacht"... wobei "negativ" und "positiv" hier nicht wertend sind, sondern nur bedeuten, daß einmal eine bestehende Form verneint wird und umgeformt und einmal etwas völlig Neues in das System eingebracht wird, das vorher gar nicht da war... und dazwischen, als offensichtlich verborgene 5, liegt vielleicht ein Nichtprozess... schräge Metaphysik, mehr Drogen bitte? :roll:
Tarvoc hat geschrieben:
Bwana Honolulu hat geschrieben:
Tarvoc hat geschrieben:Ich. ;-)
Purer Solipsismus. ;-)
Eher Cartesianismus. Über den ganzen Rest hab' ich ja noch nichts gesagt...
Bwana Honolulu hat geschrieben:
Tarvoc hat geschrieben:Eher Cartesianismus. Über den ganzen Rest hab' ich ja noch nichts gesagt...
Hm. Stimmt schon. Cogito ergo summ, summ, summ, ein Bienchen summt herum.
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Re: [Schiff] Diskordianismus als De- und Rekonstruktion (...

Beitrag von Tarvoc »

Hm, naja... eigentlich kann man vom Ich gerade nicht sagen, es sei "wirklich". Reine Form... das muss einer meiner schwächeren Momente gewesen sein. :mrpink:
[i]"Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme, ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, d. h. die Wirklichkeit und Macht, die Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit eines Denkens, das sich von der Praxis isoliert, ist eine rein scholastische Frage."[/i] - Marx
[i]"Nur wer zu sich selbst kein Vertrauen hat, kann sich vor vorübergehenden Bündnissen, und sei es auch mit unzuverlässigen Leuten, fürchten, und keine einzige politische Partei könnte ohne solche Bündnisse existieren. Das Zusammengehen mit den legalen Marxisten war in seiner Art das erste wirklich politische Bündnis der russischen Sozialdemokratie. Dank diesem Bündnis ist ein erstaunlich rascher Sieg über die Volkstümlerrichtung und eine außerordentlich weite Verbreitung der Ideen des Marxismus [...] erzielt worden."[/i] - Lenin
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Re: [Schiff] Diskordianismus als De- und Rekonstruktion (...

Beitrag von Bwana Honolulu »

Reden wir von dir oder von deinem "Ich"? :kopfkratz:
Wenn ich schon der Affe bin, dann will ich der Affe sein, der dem Engel auf's Maul haut. XD
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Re: [Schiff] Diskordianismus als De- und Rekonstruktion (...

Beitrag von Tarvoc »

Bwana Honolulu hat geschrieben:Reden wir von dir oder von deinem "Ich"? :kopfkratz:
Watt? :skeptisch:
[i]"Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme, ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, d. h. die Wirklichkeit und Macht, die Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit eines Denkens, das sich von der Praxis isoliert, ist eine rein scholastische Frage."[/i] - Marx
[i]"Nur wer zu sich selbst kein Vertrauen hat, kann sich vor vorübergehenden Bündnissen, und sei es auch mit unzuverlässigen Leuten, fürchten, und keine einzige politische Partei könnte ohne solche Bündnisse existieren. Das Zusammengehen mit den legalen Marxisten war in seiner Art das erste wirklich politische Bündnis der russischen Sozialdemokratie. Dank diesem Bündnis ist ein erstaunlich rascher Sieg über die Volkstümlerrichtung und eine außerordentlich weite Verbreitung der Ideen des Marxismus [...] erzielt worden."[/i] - Lenin
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Re: [Schiff] Diskordianismus als De- und Rekonstruktion (...)

Beitrag von Tarvoc »

Hab' jetzt angefangen, Adam Weishaupts Buch Über Materialismus und Idealismus zu lesen. Bis jetzt im Grunde einfach nur ein simplifizierter Kantianismus, der noch dazu die Antinomien ausklammert und deshalb in allerlei argumentative Einseitigkeiten hineinläuft. Gut an dem Buch finde ich allerdings, dass es die Argumente sehr viel einfacher und verständlicher darstellt, als Kant das tut, und damit auch für Philosophie-Neueinsteiger sehr viel einfacher lesbar ist.
[i]"Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme, ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, d. h. die Wirklichkeit und Macht, die Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit eines Denkens, das sich von der Praxis isoliert, ist eine rein scholastische Frage."[/i] - Marx
[i]"Nur wer zu sich selbst kein Vertrauen hat, kann sich vor vorübergehenden Bündnissen, und sei es auch mit unzuverlässigen Leuten, fürchten, und keine einzige politische Partei könnte ohne solche Bündnisse existieren. Das Zusammengehen mit den legalen Marxisten war in seiner Art das erste wirklich politische Bündnis der russischen Sozialdemokratie. Dank diesem Bündnis ist ein erstaunlich rascher Sieg über die Volkstümlerrichtung und eine außerordentlich weite Verbreitung der Ideen des Marxismus [...] erzielt worden."[/i] - Lenin
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