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Abmahnwahn

Verfasst: 23. August 2016, 12:29
von Bwana Honolulu
Neu von CCC und freifunk: Der Abmahnbeantworter. XD

Hier ein Artikel dazu:
ZEIT ONLINE hat geschrieben:Der Abmahnerabmahner

Die Abmahnung von Urheberrechtsverletzungen ist ein Geschäft. Viele zahlen auch, wenn sie nichts getan haben. Der Abmahnbeantworter des CCC bietet kostenlose Hilfe.

Wegen einer vermeintlichen Urheberrechtsverletzung eine Abmahnung zu verschicken, ist ein hinterhältiges Geschäftsmodell. Ganze Rechtsanwaltskanzleien haben sich darauf spezialisiert, macht es doch kaum Arbeit und bringt viel Geld. Viele der Abgemahnten bezahlen die Forderung, auch wenn sie gar nichts getan haben. Weil sie nicht wissen, wie sie sich wehren sollen. Weil sie einen Rechtsstreit und damit noch höhere Kosten fürchten.

Selbst die Nutzung von gemeinfreien Lizenzen wie Creative Commons schützt nicht davor, abgemahnt zu werden, wenn man nicht genau aufpasst. Diesem Missbrauch des Urheberrechts wollen zwei Vereine jetzt etwas entgegensetzen: Dank des Abmahnbeantworters des Chaos Computer Clubs (CCC) und des Freifunk können Betroffene die Anwälte mit ihren eigenen Waffen schlagen – solange sie zu Unrecht abgemahnt wurden. Wenige Klicks genügen, alles ist rechtlich sauber und Geld kostet es auch nicht.

Insgesamt sechs Fragen müssen Betroffene beantworten. Die erste ist die wichtigste: "Sie sind sicher, diese angebliche Urheberrechtsverletzung nicht begangen zu haben?" Nur dann kann die Seite wirklich helfen. Wer sich unsicher ist, der solle doch lieber einen Anwalt suchen, heißt es dort. Anschließend gibt es eine Weiterleitung zu Suche nach spezialisierten Kanzleien.

Doch wer sich sicher ist, dass er zu Unrecht abgemahnt wird, der kommt mit fünf weiteren kurzen Fragen zu einem fertigen Formbrief. Dieser beschreibt anhand der Antworten auf die Fragen kurz und freundlich, warum der Betroffene die Urheberrechtsverletzung nicht begangen haben kann. Außerdem fordert er den Anwalt auf, seine Abmahnung zurückzunehmen. Der Brief muss nur noch ausgedruckt und an den abmahnenden Anwalt geschickt werden.
Ein Versuch, Abmahner abzuschrecken

"Gerade Freifunker, Betreiber von Flüchtlingsunterkünften und Freiwillige aus der Torcommunity sind nicht selten Leidtragende von unberechtigten Abmahnungen, die das Anbieten von Infrastruktur für freie und offene Netze zunehmend erschweren", schreiben CCC und Freifunk. Sie meinen Fälle, in denen die Betreiber solcher Infrastruktur für angebliche illegale Downloads der Nutzer abgemahnt werden. "Dagegen wollen und sollten wir uns wehren."

Rechtlich ist der mit dem Abmahnbeantworter erstellte Formbrief ein erster Schritt zu einer sogenannten negativen Feststellungsklage. Er zwingt den abmahnenden Anwalt, seine Abmahnung zurückzunehmen. Tut er das nicht fristgerecht, kann der Brief die Grundlage der Feststellungsklage sein – bei der der abmahnende Anwalt vor Gericht beweisen müsste, dass der Abgemahnte die Vorwürfe wirklich begangen hat. Für die Kanzlei ist das sehr viel aufwändiger als eine einfache Abmahnung.

Die Seite sei ein Versuch, etwas gegen das Geschäftsmodell der Massenabmahnungen zu tun, schreibt der CCC. Das lebe von unberechtigten Forderungen, die von eingeschüchterten Unschuldigen aus Sorge unwidersprochen beglichen werden. "Der Abwehraufwand für zu Unrecht Abgemahnte sinkt, während der Aufwand für die automatisiert abmahnenden Kanzleien steigt – mit jedem Widerspruch, den sie erhalten."

Re: Abmahnwahn

Verfasst: 23. August 2016, 14:28
von Bwana Honolulu
Oha, vielleicht doch nicht so empfehlenswert? :kombiniere:
Rechtsanwalt Markus Kompa hat geschrieben:
Der Chaos Computer Club (dem ich angehöre) hat einen Abmahnbeantworter ins Netz gestellt.

Gut gemeint ist aber leider nicht gut gemacht. Im Gegensatz zu den anonsten stets empfehlenswerten Kollegen von netzpolitik.org rate ich dringend davon ab, das Ding zu benutzen.

So sollen die Abmahnopfer in dem Formular preisgeben, warum sie meinen, den unterstellten Rechtsverstoß nicht begangen zu haben, etwa weil sie im Urlaub gewesen wären usw.. Solche Geschwätzigkeit ist taktisch äußerst unklug. Denn wer sich ohne Not verteidigt, klagt sich an – und liefert den Abmahnern wertvolle Informationen, die zur Beurteilung der Erfolgsaussichten eher hilfreich als abschreckend sind.

Über meine Filesharing-Mandanten erfahren Abmahner vorgerichtlich grundsätzlich gar nichts. Die Abmahner wissen daher nicht, ob und wie sich meine Mandanten verteidigen können und ob bei denen überhaupt etwas zu holen ist. Sie wissen aber, dass sich die Mandanten professionell wehren werden. Stattdessen gehen die Abmahner den Weg des geringsten Widerstands und suchen sich lieber angenehmere Gegner. Bis auf eine einzige Ausnahme (derzeit anhängig) haben die Abmahner daher keinen einzigen der vorgerichtlich von mir vertretenen Mandanten verklagt.

Bei mir ist es zudem Policy, dass ich bei bloßem Einklagen von Zahlungsansprüchen sofort bzgl. des Unterlassungsanspruchs eine negative Feststellungsklage erhebe, was für die Abmahner das Kostenrisiko erhöht. Auch auf billige Vergleiche brauchen Abmahner bei mir nicht zu hoffen. Alle bereits rechtshängigen Klagen, die mir erst in diesem Stadium angetragen wurden, konnten bislang glücklicherweise zu 100% abgewehrt werden.

In seiner Pressemitteilung gibt der CCC einen weiteren fragwürdigen Rechtsrat:
Der Abmahnbeantworter ist aus juristischer Sicht ein erster Schritt zu einer erfolgreichen sogenannten negativen Feststellungsklage: Er bringt den Abmahner unter Zugzwang, seine Abmahnung zurückzunehmen. Und er schafft die rechtlichen Voraussetzungen, um später erfolgreich eine negative Feststellungsklage zu erheben, falls die Abmahnung nicht fristgerecht zurückgenommen wird.
Das ist Unsinn.

Eine negative Feststellungsklage setzt keinerlei vorgerichtliche Tätigkeit voraus. Wenn etwa mein Stammleser Herr Dirk Vorderstraße etwas von mir unterlassen haben will, geht noch am selben Tag die Klageschrift raus. Ich habe auch noch keinen gestandenen Abmahner gesehen, der vorgerichtlich eine urheberrechtliche Abmahnung zurückgenommen hätte.

Nicht ganz up to date ist die Auswahl der angebotenen Abmahnkanzleien. So hat sich die dort aufgeführte Kanzlei Schulenburg & Schenk aus dem Pornoabmahngeschäft zurückgezogen und mahnt sogar auf Unterlassung ab, wenn sie jemand als „Abmahnkanzlei“ bezeichnet. Stattdessen wäre der aus dieser Kanzlei ausgeschiedene Rechtsanwalt Yussof Sarwari zu nennen, der dieses Geschäftsmodell aufgegriffen hat und zu den handverlesenen Abmahnern gehört, der die Sache auch konsequent vor Gericht durchzieht.

Re: Abmahnwahn

Verfasst: 23. August 2016, 16:15
von fehlgeleitet
schade, klang nach ner vielversprechenden idee.

Re: Abmahnwahn

Verfasst: 26. August 2016, 08:24
von fehlgeleitet

Re: Abmahnwahn

Verfasst: 26. August 2016, 10:06
von Bwana Honolulu
Ui, schön verkackt. :pfeif:
Telepolis hat geschrieben:Wer einen solchen Brief an einen Abmahner schickt, hat ohne jede Not etliche wertvolle Informationen preisgegeben: Die Abmahnung ist (1.) dem richtigen Anschlussinhaber (2.) zugegangen, dieser (3.) wohnt offenbar noch an dieser Adresse, (4.) weilt also in Reichweite deutscher Gerichtsbarkeit, (5.) versteht die deutsche Sprache, (6.) verlässt sich in Rechtsangelegenheiten auf Amateure und hat offenbar (7.) genug Geld, um sich einen Urlaub zu leisten – ein kapitales Prozessopfer also.
Ist allerdings derselbe Autor (RA Kompa) wie oben und keine Quelle vom CCC im Artikel verlinkt, der Artikel soll wohl bloß die legitime Kritik in ein zynisch-lustiges Gewand verpacken. :kp:

Re: Abmahnwahn

Verfasst: 26. August 2016, 14:08
von fehlgeleitet
stimmt, war ich wohl zu flüchtig :-)

ja, da hat der CCC wahrscheinlich zu kurz gedacht.

Re: Abmahnwahn

Verfasst: 26. August 2016, 15:15
von Bwana Honolulu
Ist aber auch alles strittig:
BR PULS hat geschrieben:Klingt toll, aber…

... es gibt keine Erfolgsgarantie. Sagt zumindest Markus Kompa. Er ist Urheberrechtsanwalt aus Köln - und obwohl er selbst Mitglied im CCC ist, hält er nichts vom Abmahnbeantworter. Eines seiner Argumente: Mit dem Schreiben gibt man den Abmahnern möglicherweise wertvolle Informationen preis.
Markus Kompa auf seinem Blog hat geschrieben:Ich habe auch noch keinen gestandenen Abmahner gesehen, der vorgerichtlich eine urheberrechtliche Abmahnung zurückgenommen hätte.
Den Blogeintrag von Markus Kompa hat auch CCC-Mitglied "Erdgeist" gelesen, der seinen echten Namen am Telefon nicht nennen wollte. Er wehrt sich und sagt: Es geht vor allem darum, erst einmal überhaupt auf die Abmahnung zu reagieren, ohne sich gleich einen Anwalt zu nehmen, den man natürlich bezahlen müsste. Denn: Wenn man gar nicht reagiert, würde im Zweifel nur alles schlimmer.
CCC-Mitglied 'Erdgeist' ist Mitentwickler des Abmahnbeantworters hat geschrieben:Dann kassiert man im schlimmsten Fall eine einstweilige Verfügung eines Gerichts und hat es deutlich schwieriger, im Hauptsachverfahren auf einen grünen Zweig zu kommen.
Mit dem Abmahnbeantworter hat man also zumindest schon mal etwas versucht - einen Anwalt kann man danach immer noch dazu holen. Dazu raten die Verbraucherzentralen bisher sowieso.

Statement gegen die Abmahnindustrie

Der Bot hat aber noch eine andere Funktion: Er bringt das Thema Abmahnindustrie wieder ins Gespräch. Die Message des CCC: Wenn sich auch nur ein Prozent der unberechtigt Abgemahnten auf diese Art wehrt, überlegen es sich Kanzleien vielleicht zwei Mal, ob sich eine unrechtmäßige Abmahnung überhaupt lohnt. Der Abmahnbeantworter ersetzt zwar keinen Anwalt. Er ist eine erste Hilfe - aber vor allem ein Statement gegen die Abmahnindustrie.
Und Kompa darf sich Vorwürfe gefallen lassen, er wolle damit nur selbst Fälle angeln. Hat sich aber schon dazu geäußert.