Ordnungen des Sehens
Verfasst: 25. Dezember 2015, 00:59
Ordnungen des Sehens
von Stefan Matthias Hückel
erschienen in der nur einmalig ausgegeben Zeitschrift "Sichtfelder"
Seite 16-21
Der folgende Text stellt eine Zusammenfassung eines Textes dar, den ich online nirgends finden konnte und der mich mal sehr inspiriert hat. Ich wünsche viel Spaß beim lesen. Ich habe den Text argumentativ etwas linearisiert, ich hoffe durch dieses Vorgehen keine wertvollen Seitenpfade vernichtet oder den Autor vollkommen missverstanden zu haben.
Sichtfelder erscheinen als eine technische Beschreibung für eine recht selbstverständliche Vorraussetzung des Sehens. Es ermöglicht den Zugriff auf die im Sichtfeld vorhandenen Elemente.
Würde man also nach einem abstrakten Sichtfeld einer bestimmten Disziplin fragen, so ist auch die Frage naheliegend, was passieren würde, wenn man unterschiedliche Sichtfelder zusammenführen würde. Gibt es möglicherweise synergetische Effekte? Entsteht gar eine neue Disziplin? Und ist es möglich allgemeine Vorhersagen zu machen, was eine solche Bemühung zur Folge haben könnte?
Könnte eine solche Symbiose gar auch Auswirkungen auf den Begriff des Sichtfelds selbst haben? Denn wenn nun eine andere Form des Sehens, denn genau dies würde ein verändertes Sichtfeld gerade ermöglichen, auch Neues hervorbringt, scheint es einen Zusammenhang zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren zu geben, der nicht vollkommen trivial sein kann, da das bisher nicht-sichtbare keinesfalls eine offensichtliche Lücke in der Ausgangsdisziplin sein kann, denn andernfalls wäre sie nicht eine solche.
Somit ist das Sehen selbst ein Rätsel, wie der Leibphänomenologe Bernhard Waldenfeld bereits bemerkte. Jedoch meinte er mit dem Begriff Rätsel explizit etwas was eine höhere Komplexität als das Offensichtliche besitzt, nicht ein unlösbares Problem. Die Lösung eines solchen Rätsels wird gewisse Auswirkungen auf die Art und Weise haben, wie das Sehen zu sehen ist.
Max Imdahl unterschied zwischen "sehendem Sehen" und "wiedererkennenden Sehen". Aufbauend darauf fragt Waldenfels nach einer Ordnung des Sehens und einer möglichen Neuordnung, diese kann wiederum in einen Bezug zu dem Sichtfeldbegriff gebracht werden.
1. Der Blick in das Unsichtbare
Das Rätsel des Sichtbaren lautet wie folgt: Es liegt im "Spalt zwischen Sehen und Wissen". Die Schwierigkeit bestehe also darin, zu wissen, was wir sehen. Dies ist umso verwunderlicher, da gerade das Sehen in der Philosophie ein prominente Rolle spielt, da sie der Erkenntniss zugeordnet wurde. Die Dominanz des Sehsinns wurde - je mehr der gesamte Körper in die Theorie geholt wurde - ersetzt durch eine Gleichzeitigkeit von Auge und Hand, welche der Arbeit zugewiesen wurde.
Sehen kann "sichtbar werden von etwas" bedeuten, das erkennen kann bedeuten, dass sich etwas aus einem Hintergrund von Möglichkeiten abhebt, eine Auswahl sozusagen, sowohl was die Bezeichnung angeht, als auch seine Fokussierung innerhalb eines Kontextes.
Nach Waldenfels entgleitet das Sehen als Prozess sich selbst. "er ist nie ganz bei Sinnen" und spaltet sich so in Sehendes und Gesehenes. Diese Spaltung entstehe durch das Sehbegehren und hänge mit dem Unsichtbaren zusammen. Weiterhin ist sehen auch ein Produkt, da wir das Gesehene in Begriffe fassen.
Das Unsichtbare erzeuge das Sichtbare, nicht etwa sein Komplement. Ferner erzeuge es die Art, wie das Gesehene gesehen wird. "Das Sichtbare selbst hat eine Gliederung aus Unsichtbarem"(Merleau-Ponty).
Das Sichtbare ist also mit dem Unsichtbaren verwoben. Es geht hier nicht nur um eine Unvollständigkeit, sondern um die Differenz innerhalb des Sehens selbst. Das "sehen wollen" ist gleichzeitig Vorraussetzung und Blockade.
Das Unsichtbare hat also zwei Ursprünge. Dem Blick dem stets die "Leidenschaft des Sichtbarchmachens" anhaftet, begehrt stets anderes. Andrerseits ist "das Sehen" stets das Sehen von etwas. Die Gestalt wird vor allen Dingen durch ihre Begrenzung definiert. Das Unsichtbare sind alle nicht-gesehenen Möglichkeiten. Nach Waldenfels ist das, "was sichtbar wird, ist immer schon mehr als das, was ich sehe, mehr aber auch als das, was ein Kanon des Sehens zu sehen gestattet."
2. Produktives und reproduktives Sehen
Anstelle einer begrifflichen Explikation knüpft Waldenfels an eine "methodische Unterscheidung" von Imdahl an, um zwei Aspekte des künstlerischen Bildes (und seiner Form) in Verbindung zu bringen. Er sieht in ihr sogar einen ontologischen Unterschied.
Das "wiedererkennende Sehen" (Waldenfels nennt es reproduktives sehen) ordnet er dabei der Semantik des Bildes zu. Dieses sehen ist heternom, da es auf einer bereits vorausliegenden Ordnung, "dem ästhetischen Logos" aufbaut. Das Wiedererkennende Sehen wiederschließt sich dem Spiel von Blick und Anblick und ist somit in sich geschlossen.
Das "sehende Sehen" ist wiederum Teil der Syntax, es geht um die Art und Weise wie etwas dargestellt wird. Diese Gesetze des Sichtbaren entstammen dem Bild selbst und sind somit autonom. Das Charackteristikum des sehenden Sehens ist, dass die Ordnung des Sehens direkt mit dem Sehen zusammenfällt und somit nicht auf eine andere Ordnung verweist, sondern direkt am Entstehen des Sichtfeldes beteiligt ist. Könnte man es als abgründig bezeichnen?
Verstehe ich ein Zeichen als Werkzeug, so habe ich auch eine Vorstellung von dem, was ich vermitteln will und von dem Empfänger. Die Anwendung solcher Schemata wäre nicht autonom. Allerdings ist hier immer ein kurzer Moment bevor der Betrachter einen Begriff zuordnet. Bloch spricht hier vom "Ergriff"
Ist das "wie" also vom "was" vorgegeben, findet kein sehendes Sehen statt.
Dieses produktive sehende Sehen lässt durch die Abweichung vom Kanon eine neue Welt entstehen (sie ist nicht sofort da, diese neue Welt), sein Wesen ist es, sich gerade nicht an einer vorgegebenen Ordnung zu orientieren.
3. Sehordnungen
Waldenfels hier zentrale Frage lautet: Wie kann Neues oder neuartig gesehen werde. Diese Frage hat genuin philosophische Relevanz, da es hier um eine Frage geht, die a priori ist.
Das Neue wäre hier dem "was" zugeordnet, das neuartige dem "wie". Das "was" berührt also neue Elemente, das "wie" Strukturen. Jede Sehart verweist also auf eine Sehordnung. Ein neues Element wäre also bereits Teil einer bekannten Struktur, wäre in ihr möglich.
Waldenfels unterscheidet zwischen Dingen, Bilddingen und Bildwerke. Dinge zeigen sich selbst, Bilddinge sich und etwas anderes, Bildwerke zeigen sich selbst, etwas anderes und lassen auch die Sichtbarkeit selbst sichtbar werden. Sie erschließen also neue Sichtfelder.
Das Ding verweist in seiner Wiederholung auf sich selbst, zu einer anderen Zeit, Ort oder Kontext. Die Gestalttheorie versteht diesen Sachverhalt mit den Begriffen Vorbilder und Nachbilder.
Ohne diese Bildhaftigkeit der Dinge gäbe es kein "Sehenlernen" oder "kennenlernen" (kurz gesagt wissen) sondern nur ein "Mosaik einmaliger Eindrücke". Die Wahrnehmung entspringt also der Ordnung der Dinge, da die Dinge bereits Aspekte des Bildes tragen, die eine Bilderordnung ermöglichen. Die Wiederholung ist also nur möglich, wenn die Dinge bildhaft sind. Waldenfels definiert die Bildhaftigkeit dadurch, dass es gleichzeitig sich selbst und etwas anderes als sie selbst zeigt. Vielleicht spiegeln sie etwas? Siehe auch Heidegger "Zeug".
4. Nietzsche und die Kontingenz
Waldenfels deutet die Wandlung in der Ordnungskonzeption so, dass traditionelle Ordnung unterwandert wird und nach und nach aufgelöst um neues zu schaffen.
Nietzsche laut Deleuze ein "Denkbildner"(Deleuze hat ähnliche Ideen vom Denken wie dieser Text vom Sehen) redet im 2. Abschnitt von "Jenseits von gut und Böse" als das "noch nicht festgestellte Tier".
Der Mensch wird hier also vom einem Produkt zu einem Prozess. Dadrin liegt auch ein Anders-sein-können verborgen. Diese Vorstellung des variablen Menschseins hat sich nach und nach durchgesetzt.
Dies bedeutet auch eine Definition des Menschen über sein "wie", anstatt ihn über seine Natur zu definieren, wird er über Kultur und Technik verstanden, als ein Wesen, dass mit allem womit er in Berührung kommt, dies zu einer unmittelbaren Bedingung seiner Existenz macht, also sich seine Bedingungen schafft unter denen er leben will (s. Arendt), sich in seiner Technik fest-stellt (s. Waldenfels).
Diese Ordnung ist durch ihre Kontingenz charackterisiert, also ihr "Wirklichkeitssinn" mit einem "Möglichkeitssinn" durchsetzt ist.
Diese Ordnung kann ihre Schwerpunkte jederzeit verlagern, was jedes Element in ihren Feldern betrifft, da diese in diversen Relationen zueinanderstehen. Es gibt in diesen Feldern Dominanzkonflikte verschiedener Anschauungen, und somit sind Verlagerungen die Regel.
Das abweichende Sehen widmet sich den Möglichkeiten, während das rechte Sehen die Wirklichkeiten im Blick hat. Das abweichende sehen stellt nun genau diese normative Sicht des rechten Sehens in Frage.
5. Kunst und ihr Geschenk des Sehendmachens
Dem Sichtbarmachen der Wahrnehmung stellt Waldenfels das Sichtbarwerden in der Kunst gegenüber. Kunst soll also auch sehend machen. Dazu muß sich das Kunstwerk vom Bildding und dem "Sog der abzubildenen Ideen" lösen. Als Bildwerke eröffnen die Kunstwerke einen Bildraum, da das Bildwerk weder ein Fremd- noch ein Selbstbild ist, sondern ein Gefüge aus Seh- und Bildordnung. Die Zusammenführung dieser beiden setzt sich aus 3 Merkmalen zusammen. innere Anordnung, äußere Einordnung und Hierachisierung.
Die innere Anordnung führt dazu, dass alles unwesentliche aus dem Bild entfernt wird, also die Totalität des Bildwerkes wird durch Ausschluß des zufälligen verdankt. Darin liegt eine Paradoxie, das spontane Eindrücke nur durch ausschluß spontaner Elemente zu verdanken ist.
Die äußere Einordnung bedeutet die Elemente in einen Zusammenhang zu bringen, so dass sich das Werk entfalten kann
Die Hirachisierung dient der erzeugen einer Ordnung innerhalb des Bildes, um die Augen des betrachters zu lenken.
Dies ist auch ein Geschenk des Kunstwerks an die nicht-kunst. Es ist ein Bewußtmachen des Sehens.
6. Anderssehen
Waldenfels unterscheidet verschiedene Arten des Anderssehens
1. Abweichendes Sehen erprobt neue Sichtmöglichekeiten. Es ist aber noch kein sehendes Sehen, da es bloße Möglichkeiten erdenkt.
2. Erweitertes Sehen sucht nach Variationen im schon gesehenen und kann diese unter Umständen realisieren
3. Sehen, dass den Rahmen sprengt. Es tritt auf wenn Sehen und Erkennen mit sich selbst in Widerstreit geraten, weil sie vom Sichtbaren überfordert werden. Die Wirklichkeit besitzt hier noch kein Aussehen, kann also noch nicht sichtbar sein.
7. Sichtfelder und Zusammenfassung
"Sichtfelder sind Ereignisse, die neue Sinnfelder erschließen, indem sie andere mögliche verschließen, und die etwas ermöglichen, indem sie etwas anderes verunmöglichen." Dies wirkt wieder komplementär. So wie ein Perspektiv, dass etwas vergrößert um anderes auszublenden.
Der Sinnüberschuß liegt jedoch an den Rändern des Sichtfeldes.
Schöpferisch ist es also, die Ränder Sichtbar zu machen. Eine Sichtfelderkonstellation könnte nun einer Vereinzelung der Perspektiven entgegenwirken.
Diese wäre in sich so total wie ein Kunstwerk, deren Elemente sich gegenseitig beeinflußen.
Diese Art des Denkens oder des Sehens hat etwas anarchistisches, weil es seinen eigenen Grund schafft.
von Stefan Matthias Hückel
erschienen in der nur einmalig ausgegeben Zeitschrift "Sichtfelder"
Seite 16-21
Der folgende Text stellt eine Zusammenfassung eines Textes dar, den ich online nirgends finden konnte und der mich mal sehr inspiriert hat. Ich wünsche viel Spaß beim lesen. Ich habe den Text argumentativ etwas linearisiert, ich hoffe durch dieses Vorgehen keine wertvollen Seitenpfade vernichtet oder den Autor vollkommen missverstanden zu haben.
Sichtfelder erscheinen als eine technische Beschreibung für eine recht selbstverständliche Vorraussetzung des Sehens. Es ermöglicht den Zugriff auf die im Sichtfeld vorhandenen Elemente.
Würde man also nach einem abstrakten Sichtfeld einer bestimmten Disziplin fragen, so ist auch die Frage naheliegend, was passieren würde, wenn man unterschiedliche Sichtfelder zusammenführen würde. Gibt es möglicherweise synergetische Effekte? Entsteht gar eine neue Disziplin? Und ist es möglich allgemeine Vorhersagen zu machen, was eine solche Bemühung zur Folge haben könnte?
Könnte eine solche Symbiose gar auch Auswirkungen auf den Begriff des Sichtfelds selbst haben? Denn wenn nun eine andere Form des Sehens, denn genau dies würde ein verändertes Sichtfeld gerade ermöglichen, auch Neues hervorbringt, scheint es einen Zusammenhang zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren zu geben, der nicht vollkommen trivial sein kann, da das bisher nicht-sichtbare keinesfalls eine offensichtliche Lücke in der Ausgangsdisziplin sein kann, denn andernfalls wäre sie nicht eine solche.
Somit ist das Sehen selbst ein Rätsel, wie der Leibphänomenologe Bernhard Waldenfeld bereits bemerkte. Jedoch meinte er mit dem Begriff Rätsel explizit etwas was eine höhere Komplexität als das Offensichtliche besitzt, nicht ein unlösbares Problem. Die Lösung eines solchen Rätsels wird gewisse Auswirkungen auf die Art und Weise haben, wie das Sehen zu sehen ist.
Max Imdahl unterschied zwischen "sehendem Sehen" und "wiedererkennenden Sehen". Aufbauend darauf fragt Waldenfels nach einer Ordnung des Sehens und einer möglichen Neuordnung, diese kann wiederum in einen Bezug zu dem Sichtfeldbegriff gebracht werden.
1. Der Blick in das Unsichtbare
Das Rätsel des Sichtbaren lautet wie folgt: Es liegt im "Spalt zwischen Sehen und Wissen". Die Schwierigkeit bestehe also darin, zu wissen, was wir sehen. Dies ist umso verwunderlicher, da gerade das Sehen in der Philosophie ein prominente Rolle spielt, da sie der Erkenntniss zugeordnet wurde. Die Dominanz des Sehsinns wurde - je mehr der gesamte Körper in die Theorie geholt wurde - ersetzt durch eine Gleichzeitigkeit von Auge und Hand, welche der Arbeit zugewiesen wurde.
Sehen kann "sichtbar werden von etwas" bedeuten, das erkennen kann bedeuten, dass sich etwas aus einem Hintergrund von Möglichkeiten abhebt, eine Auswahl sozusagen, sowohl was die Bezeichnung angeht, als auch seine Fokussierung innerhalb eines Kontextes.
Nach Waldenfels entgleitet das Sehen als Prozess sich selbst. "er ist nie ganz bei Sinnen" und spaltet sich so in Sehendes und Gesehenes. Diese Spaltung entstehe durch das Sehbegehren und hänge mit dem Unsichtbaren zusammen. Weiterhin ist sehen auch ein Produkt, da wir das Gesehene in Begriffe fassen.
Das Unsichtbare erzeuge das Sichtbare, nicht etwa sein Komplement. Ferner erzeuge es die Art, wie das Gesehene gesehen wird. "Das Sichtbare selbst hat eine Gliederung aus Unsichtbarem"(Merleau-Ponty).
Das Sichtbare ist also mit dem Unsichtbaren verwoben. Es geht hier nicht nur um eine Unvollständigkeit, sondern um die Differenz innerhalb des Sehens selbst. Das "sehen wollen" ist gleichzeitig Vorraussetzung und Blockade.
Das Unsichtbare hat also zwei Ursprünge. Dem Blick dem stets die "Leidenschaft des Sichtbarchmachens" anhaftet, begehrt stets anderes. Andrerseits ist "das Sehen" stets das Sehen von etwas. Die Gestalt wird vor allen Dingen durch ihre Begrenzung definiert. Das Unsichtbare sind alle nicht-gesehenen Möglichkeiten. Nach Waldenfels ist das, "was sichtbar wird, ist immer schon mehr als das, was ich sehe, mehr aber auch als das, was ein Kanon des Sehens zu sehen gestattet."
2. Produktives und reproduktives Sehen
Anstelle einer begrifflichen Explikation knüpft Waldenfels an eine "methodische Unterscheidung" von Imdahl an, um zwei Aspekte des künstlerischen Bildes (und seiner Form) in Verbindung zu bringen. Er sieht in ihr sogar einen ontologischen Unterschied.
Das "wiedererkennende Sehen" (Waldenfels nennt es reproduktives sehen) ordnet er dabei der Semantik des Bildes zu. Dieses sehen ist heternom, da es auf einer bereits vorausliegenden Ordnung, "dem ästhetischen Logos" aufbaut. Das Wiedererkennende Sehen wiederschließt sich dem Spiel von Blick und Anblick und ist somit in sich geschlossen.
Das "sehende Sehen" ist wiederum Teil der Syntax, es geht um die Art und Weise wie etwas dargestellt wird. Diese Gesetze des Sichtbaren entstammen dem Bild selbst und sind somit autonom. Das Charackteristikum des sehenden Sehens ist, dass die Ordnung des Sehens direkt mit dem Sehen zusammenfällt und somit nicht auf eine andere Ordnung verweist, sondern direkt am Entstehen des Sichtfeldes beteiligt ist. Könnte man es als abgründig bezeichnen?
Verstehe ich ein Zeichen als Werkzeug, so habe ich auch eine Vorstellung von dem, was ich vermitteln will und von dem Empfänger. Die Anwendung solcher Schemata wäre nicht autonom. Allerdings ist hier immer ein kurzer Moment bevor der Betrachter einen Begriff zuordnet. Bloch spricht hier vom "Ergriff"
Ist das "wie" also vom "was" vorgegeben, findet kein sehendes Sehen statt.
Dieses produktive sehende Sehen lässt durch die Abweichung vom Kanon eine neue Welt entstehen (sie ist nicht sofort da, diese neue Welt), sein Wesen ist es, sich gerade nicht an einer vorgegebenen Ordnung zu orientieren.
3. Sehordnungen
Waldenfels hier zentrale Frage lautet: Wie kann Neues oder neuartig gesehen werde. Diese Frage hat genuin philosophische Relevanz, da es hier um eine Frage geht, die a priori ist.
Das Neue wäre hier dem "was" zugeordnet, das neuartige dem "wie". Das "was" berührt also neue Elemente, das "wie" Strukturen. Jede Sehart verweist also auf eine Sehordnung. Ein neues Element wäre also bereits Teil einer bekannten Struktur, wäre in ihr möglich.
Waldenfels unterscheidet zwischen Dingen, Bilddingen und Bildwerke. Dinge zeigen sich selbst, Bilddinge sich und etwas anderes, Bildwerke zeigen sich selbst, etwas anderes und lassen auch die Sichtbarkeit selbst sichtbar werden. Sie erschließen also neue Sichtfelder.
Das Ding verweist in seiner Wiederholung auf sich selbst, zu einer anderen Zeit, Ort oder Kontext. Die Gestalttheorie versteht diesen Sachverhalt mit den Begriffen Vorbilder und Nachbilder.
Ohne diese Bildhaftigkeit der Dinge gäbe es kein "Sehenlernen" oder "kennenlernen" (kurz gesagt wissen) sondern nur ein "Mosaik einmaliger Eindrücke". Die Wahrnehmung entspringt also der Ordnung der Dinge, da die Dinge bereits Aspekte des Bildes tragen, die eine Bilderordnung ermöglichen. Die Wiederholung ist also nur möglich, wenn die Dinge bildhaft sind. Waldenfels definiert die Bildhaftigkeit dadurch, dass es gleichzeitig sich selbst und etwas anderes als sie selbst zeigt. Vielleicht spiegeln sie etwas? Siehe auch Heidegger "Zeug".
4. Nietzsche und die Kontingenz
Waldenfels deutet die Wandlung in der Ordnungskonzeption so, dass traditionelle Ordnung unterwandert wird und nach und nach aufgelöst um neues zu schaffen.
Nietzsche laut Deleuze ein "Denkbildner"(Deleuze hat ähnliche Ideen vom Denken wie dieser Text vom Sehen) redet im 2. Abschnitt von "Jenseits von gut und Böse" als das "noch nicht festgestellte Tier".
Der Mensch wird hier also vom einem Produkt zu einem Prozess. Dadrin liegt auch ein Anders-sein-können verborgen. Diese Vorstellung des variablen Menschseins hat sich nach und nach durchgesetzt.
Dies bedeutet auch eine Definition des Menschen über sein "wie", anstatt ihn über seine Natur zu definieren, wird er über Kultur und Technik verstanden, als ein Wesen, dass mit allem womit er in Berührung kommt, dies zu einer unmittelbaren Bedingung seiner Existenz macht, also sich seine Bedingungen schafft unter denen er leben will (s. Arendt), sich in seiner Technik fest-stellt (s. Waldenfels).
Diese Ordnung ist durch ihre Kontingenz charackterisiert, also ihr "Wirklichkeitssinn" mit einem "Möglichkeitssinn" durchsetzt ist.
Diese Ordnung kann ihre Schwerpunkte jederzeit verlagern, was jedes Element in ihren Feldern betrifft, da diese in diversen Relationen zueinanderstehen. Es gibt in diesen Feldern Dominanzkonflikte verschiedener Anschauungen, und somit sind Verlagerungen die Regel.
Das abweichende Sehen widmet sich den Möglichkeiten, während das rechte Sehen die Wirklichkeiten im Blick hat. Das abweichende sehen stellt nun genau diese normative Sicht des rechten Sehens in Frage.
5. Kunst und ihr Geschenk des Sehendmachens
Dem Sichtbarmachen der Wahrnehmung stellt Waldenfels das Sichtbarwerden in der Kunst gegenüber. Kunst soll also auch sehend machen. Dazu muß sich das Kunstwerk vom Bildding und dem "Sog der abzubildenen Ideen" lösen. Als Bildwerke eröffnen die Kunstwerke einen Bildraum, da das Bildwerk weder ein Fremd- noch ein Selbstbild ist, sondern ein Gefüge aus Seh- und Bildordnung. Die Zusammenführung dieser beiden setzt sich aus 3 Merkmalen zusammen. innere Anordnung, äußere Einordnung und Hierachisierung.
Die innere Anordnung führt dazu, dass alles unwesentliche aus dem Bild entfernt wird, also die Totalität des Bildwerkes wird durch Ausschluß des zufälligen verdankt. Darin liegt eine Paradoxie, das spontane Eindrücke nur durch ausschluß spontaner Elemente zu verdanken ist.
Die äußere Einordnung bedeutet die Elemente in einen Zusammenhang zu bringen, so dass sich das Werk entfalten kann
Die Hirachisierung dient der erzeugen einer Ordnung innerhalb des Bildes, um die Augen des betrachters zu lenken.
Dies ist auch ein Geschenk des Kunstwerks an die nicht-kunst. Es ist ein Bewußtmachen des Sehens.
6. Anderssehen
Waldenfels unterscheidet verschiedene Arten des Anderssehens
1. Abweichendes Sehen erprobt neue Sichtmöglichekeiten. Es ist aber noch kein sehendes Sehen, da es bloße Möglichkeiten erdenkt.
2. Erweitertes Sehen sucht nach Variationen im schon gesehenen und kann diese unter Umständen realisieren
3. Sehen, dass den Rahmen sprengt. Es tritt auf wenn Sehen und Erkennen mit sich selbst in Widerstreit geraten, weil sie vom Sichtbaren überfordert werden. Die Wirklichkeit besitzt hier noch kein Aussehen, kann also noch nicht sichtbar sein.
7. Sichtfelder und Zusammenfassung
"Sichtfelder sind Ereignisse, die neue Sinnfelder erschließen, indem sie andere mögliche verschließen, und die etwas ermöglichen, indem sie etwas anderes verunmöglichen." Dies wirkt wieder komplementär. So wie ein Perspektiv, dass etwas vergrößert um anderes auszublenden.
Der Sinnüberschuß liegt jedoch an den Rändern des Sichtfeldes.
Schöpferisch ist es also, die Ränder Sichtbar zu machen. Eine Sichtfelderkonstellation könnte nun einer Vereinzelung der Perspektiven entgegenwirken.
Diese wäre in sich so total wie ein Kunstwerk, deren Elemente sich gegenseitig beeinflußen.
Diese Art des Denkens oder des Sehens hat etwas anarchistisches, weil es seinen eigenen Grund schafft.