Revolution leicht gemacht
Verfasst: 14. Oktober 2011, 21:35
Revolution leicht gemacht
Das Zentrum für gewaltlose Strategien in Belgrad
Solch eine Schule gibt es nur einmal: Wie stürze ich einen Tyrannen?, lehrt der Serbe Srda Popovic, der selbst einst erfolgreich gegen Milosovic auf die Straße ging und eine Protestbewegung gründete, die längst in anderen Ländern Nachahmer fand. Nun sitzen Schüler aus der ganzen Welt in seinen Kursen im Belgrader "Zentrum für angewandte und gewaltlose Strategien".
Auf Ägyptens Tahir Platz hat die Revolution gesiegt. Die Helden feierten eine Woche lang. Und die Welt staunt. Ein solchen Aufstand der Zivilgesellschaft hat man hier noch nie gesehen. Gelernt haben vor allem die jungen Leute aus Ägypten auch bei serbischen Freunden. Der gewaltfreie Protest in Serbien war ein Vorbild für Ägyptens Demonstranten. Srda Popovic und sein "Zentrum für für gewaltlose Aktion und Strategien" besuchten einige Ägypter 2009 ein nur einwöchiges Seminar. Stolz zeigt der Dozent für Gewaltfreiheit Fotos der ägyptischen Freunde. Zuvor hatten sie die Broschüre "50 wichtige Punkte im gewaltfreien Kampf" im Internet auf arabisch gelesen.
Organsierter Widerstand auch ohne Facebook
"Ausdrücke wie Facebook-Revolution oder Twitter-Revolution sagen einfach nicht die ganze Wahrheit", erklärt Popovic. "Diese Revolution ist die Tat junger Leute, die frei sein wollen. Wenn sie Twitter und Facebook nicht gehabt hätten, hätten sie sicher andere Wege gefunden. Sie hätten vielleicht Rauchzeichen genutzt oder Trommeln oder gesungen wie die Südafrikaner oder sie wären wie die Chilenen von Tür zu Tür gegangen. Sie hätten so oder so ihren Weg gefunden, den gewaltfreien Kampf zu verbreiten, so wie es auch in anderen Ländern zuvor geklappt hat."
In Serbien trat am 5. Oktober 2000 Slobodan Milosevic zurück, sieben Monate nachdem die Menschen in Serbien begonnen hatten, gegen ihn zu demonstrieren. Monatelang hatten sie friedlich für den Wechsel gearbeitet. Am Ende stürmten sie das Parlament. "Otpor", "gewaltfreier Widerstand" nannte sich eine Gruppe. Ihr Symbol ist die geballte Faust. Ihr Vorbild ist der US-amerikanische Gelehrte Gene Sharp. Mit seinem 1978 erschienenen Buch "Von der Diktatur zur Demokratie" hatte er den Grundstein für manch friedlichen Umsturz gelegt. "Die Tatsache, dass sie ihre Angst loswurden, hat in Ägypten geholfen", sagt Sharp. "Von Beginn an sagten sie: 'Wir haben keine Angst mehr', und das meinten sie auch so. Und sie sagten: 'Friedlich, friedlich!', wenn irgendwo auf dem Platz Gewalt ins Spiel zu kommen drohte. Das war der bewundernswerte Fortschritt."
Methoden des gewaltfreien Kampfes
Von Sharp hatten die jungen Leute um Srda Popovic gelernt, wie man gewaltfrei den Widerstand so organisiert, dass er am Ende erfolgreich ist. "Was die Rolle der neuen Medien angeht", so Popovic, "sandten wir am Schluss 2000 SMS: 'Milosevic ist fertig, gebt die Botschaft weiter.' Und wir dachten, das ist eine ganz neue Erfindung. Jede neue Generation, jede neue Bewegung fügt etwas hinzu, ändert etwas. Das ist das Schöne. So hat sich eine Menge verändert, seit dem Gene Sharp 1978 seine Methoden des gewaltfreien Kampfes veröffentlicht hat."
Gern macht uns der 38-jährige Popovic in seinem Büro in der Gandhi-Straße von Neu Belgrad klar, worin das Prinzip der gewaltlosen Aktion besteht. "Die Inhaber der Macht stützen sich immer auf bestimmte Säulen", sagt er, "die Polizei, das Militär, die Justiz zum Beispiel. Hier muss man die wichtigsten Leute identifizieren und sie vor die Alternative stellen, den Diktator zu stützen oder sich mit dem Volk zu verbünden." In Serbien gelang dies. Nach verlorener Wahl wollte Milosevic nicht weichen. Da setzten die Proteste ein. Sie waren erfolgreich, sind ein Teil der Glaubwürdigkeit des "Zentrums für angewandte und gewaltlose Strategien" und Vorbild für Georgien, Ukraine und jetzt Ägypten.
"Eines der unterscheidenden Merkmale des Zentrums ist es", so Popovic, "dass wir, abgesehen von viereinhalb Mitarbeitern, weltweit ein Dutzend Trainer haben, die für uns arbeiten. Und alle diese Trainer haben Erfahrungen mit erfolgreichen gewaltfreien Konflikten. Das ist ein Charakteristikum des Programmes, egal ob sie an Universitäten unterrichten oder ob sie als Aktivisten arbeiten, unsere Trainer sind die Leute, die unser Konzept selbst zuerst umgesetzt haben, vor ihrer eigenen Haustür. Das gibt uns eine Glaubwürdigkeit, die andere Organisationen scheinbar nicht haben." Was aktuelle Verbindungen angeht, ist das Belgrader Zentrum sehr schweigsam. Immerhin hört man dort, auch in persisch ist das Handbuch im Internet verfügbar und wurde schon 17.000 Mal abgerufen. Ein Zeichen?
Quelle: http://www.3sat.de/page/?source=/kultur ... index.html
Das Zentrum für gewaltlose Strategien in Belgrad
Solch eine Schule gibt es nur einmal: Wie stürze ich einen Tyrannen?, lehrt der Serbe Srda Popovic, der selbst einst erfolgreich gegen Milosovic auf die Straße ging und eine Protestbewegung gründete, die längst in anderen Ländern Nachahmer fand. Nun sitzen Schüler aus der ganzen Welt in seinen Kursen im Belgrader "Zentrum für angewandte und gewaltlose Strategien".
Auf Ägyptens Tahir Platz hat die Revolution gesiegt. Die Helden feierten eine Woche lang. Und die Welt staunt. Ein solchen Aufstand der Zivilgesellschaft hat man hier noch nie gesehen. Gelernt haben vor allem die jungen Leute aus Ägypten auch bei serbischen Freunden. Der gewaltfreie Protest in Serbien war ein Vorbild für Ägyptens Demonstranten. Srda Popovic und sein "Zentrum für für gewaltlose Aktion und Strategien" besuchten einige Ägypter 2009 ein nur einwöchiges Seminar. Stolz zeigt der Dozent für Gewaltfreiheit Fotos der ägyptischen Freunde. Zuvor hatten sie die Broschüre "50 wichtige Punkte im gewaltfreien Kampf" im Internet auf arabisch gelesen.
Organsierter Widerstand auch ohne Facebook
"Ausdrücke wie Facebook-Revolution oder Twitter-Revolution sagen einfach nicht die ganze Wahrheit", erklärt Popovic. "Diese Revolution ist die Tat junger Leute, die frei sein wollen. Wenn sie Twitter und Facebook nicht gehabt hätten, hätten sie sicher andere Wege gefunden. Sie hätten vielleicht Rauchzeichen genutzt oder Trommeln oder gesungen wie die Südafrikaner oder sie wären wie die Chilenen von Tür zu Tür gegangen. Sie hätten so oder so ihren Weg gefunden, den gewaltfreien Kampf zu verbreiten, so wie es auch in anderen Ländern zuvor geklappt hat."
In Serbien trat am 5. Oktober 2000 Slobodan Milosevic zurück, sieben Monate nachdem die Menschen in Serbien begonnen hatten, gegen ihn zu demonstrieren. Monatelang hatten sie friedlich für den Wechsel gearbeitet. Am Ende stürmten sie das Parlament. "Otpor", "gewaltfreier Widerstand" nannte sich eine Gruppe. Ihr Symbol ist die geballte Faust. Ihr Vorbild ist der US-amerikanische Gelehrte Gene Sharp. Mit seinem 1978 erschienenen Buch "Von der Diktatur zur Demokratie" hatte er den Grundstein für manch friedlichen Umsturz gelegt. "Die Tatsache, dass sie ihre Angst loswurden, hat in Ägypten geholfen", sagt Sharp. "Von Beginn an sagten sie: 'Wir haben keine Angst mehr', und das meinten sie auch so. Und sie sagten: 'Friedlich, friedlich!', wenn irgendwo auf dem Platz Gewalt ins Spiel zu kommen drohte. Das war der bewundernswerte Fortschritt."
Methoden des gewaltfreien Kampfes
Von Sharp hatten die jungen Leute um Srda Popovic gelernt, wie man gewaltfrei den Widerstand so organisiert, dass er am Ende erfolgreich ist. "Was die Rolle der neuen Medien angeht", so Popovic, "sandten wir am Schluss 2000 SMS: 'Milosevic ist fertig, gebt die Botschaft weiter.' Und wir dachten, das ist eine ganz neue Erfindung. Jede neue Generation, jede neue Bewegung fügt etwas hinzu, ändert etwas. Das ist das Schöne. So hat sich eine Menge verändert, seit dem Gene Sharp 1978 seine Methoden des gewaltfreien Kampfes veröffentlicht hat."
Gern macht uns der 38-jährige Popovic in seinem Büro in der Gandhi-Straße von Neu Belgrad klar, worin das Prinzip der gewaltlosen Aktion besteht. "Die Inhaber der Macht stützen sich immer auf bestimmte Säulen", sagt er, "die Polizei, das Militär, die Justiz zum Beispiel. Hier muss man die wichtigsten Leute identifizieren und sie vor die Alternative stellen, den Diktator zu stützen oder sich mit dem Volk zu verbünden." In Serbien gelang dies. Nach verlorener Wahl wollte Milosevic nicht weichen. Da setzten die Proteste ein. Sie waren erfolgreich, sind ein Teil der Glaubwürdigkeit des "Zentrums für angewandte und gewaltlose Strategien" und Vorbild für Georgien, Ukraine und jetzt Ägypten.
"Eines der unterscheidenden Merkmale des Zentrums ist es", so Popovic, "dass wir, abgesehen von viereinhalb Mitarbeitern, weltweit ein Dutzend Trainer haben, die für uns arbeiten. Und alle diese Trainer haben Erfahrungen mit erfolgreichen gewaltfreien Konflikten. Das ist ein Charakteristikum des Programmes, egal ob sie an Universitäten unterrichten oder ob sie als Aktivisten arbeiten, unsere Trainer sind die Leute, die unser Konzept selbst zuerst umgesetzt haben, vor ihrer eigenen Haustür. Das gibt uns eine Glaubwürdigkeit, die andere Organisationen scheinbar nicht haben." Was aktuelle Verbindungen angeht, ist das Belgrader Zentrum sehr schweigsam. Immerhin hört man dort, auch in persisch ist das Handbuch im Internet verfügbar und wurde schon 17.000 Mal abgerufen. Ein Zeichen?
Quelle: http://www.3sat.de/page/?source=/kultur ... index.html