FTD hat geschrieben:Papierkrieg in Paris
In Frankreich tobt eine Schlacht in Blassgrün, Rosa und Zitronengelb: Büromenschen bekleben ihre Fenster mit Mosaiken aus Post-it-Zetteln - und stacheln sich zu immer originelleren Motiven an.
Schnell und leidenschaftlich gedeiht die Liebe in Zeiten des Krieges. Geht es in die Schlacht, legt der Soldat sein Leben in die Hände seiner Kameraden - das schweißt zusammen. Muss eine neue Taktik her, ist jede Idee willkommen; so mancher erntet Bewunderung für unvermutete Brillanz. Selbst der Feind entpuppt sich als charmant, trifft man ihn zufällig privat.
In Paris finden die Menschen dieser Tage mit nie gesehener Leichtigkeit zueinander, denn auch sie liegen im Krieg. "La Post-it War" hat die Metropole erfasst. Unternehmen kämpft gegen Unternehmen, Büroetage gegen Büroetage, doch es wird weder geschossen, noch werden Marktanteile abspenstig gemacht. Es wird geklebt: Die Munition ist buntes Papier, die Formation ein Fenstermosaik.
Wer bildet die schönste Figur? Darum geht es, und dieser Wettbewerb, der im Frühjahr begann, erweist sich nicht nur als ungeplante Teambuilding-Maßnahme. Er bringt auch mehr Wärme in die Betonschluchten der Büroviertel. Menschen, die mit Kollegen das beste, unschlagbarste Bild zusammenkleben, gehen anschließend mit dem Gegner von gegenüber zum Mittagessen. "Wo Leute früher grußlos ihrer Wege hasteten, verabreden sie sich heute", sagt ein Pariser Angestellter.
Der Krieg brach aus im östlichen Stadtteil Montreuil, wo sich Glasfassaden und Büroklötze aneinanderreihen. Die Straßen wirken trist, die Atmosphäre anonym. In der Rue Armand-Carrel aber ist heute alles anders. Aus reinem Jux klebten die Spieleentwickler von Ubisoft dort eines Nachmittags an ihre Fensterscheibe eine Post-it-Version von Rayman, der bekanntesten Spielefigur des Hauses. Gegenüber, bei BNP Paribas, nahmen die Kollegen das Zettelmosaik als Kampfansage und zogen mit den Raving Rabbids ins Feld, Raymans Kontrahenten aus dem Spiel.
Meist sind es Gaming-Figuren, die auf den Bürofenstern kleben. Die Charakterköpfe der Space Invaders und Pac-Man sind schnell gebastelt. Auch Komplizierteres wie Donkey Kong, Super Mario oder Lara Croft ist bereits zu bewundern. Eingereiht haben sich außerdem Blümchen und Herzchen, niedliche Pokémons, Paulchen Panther, Bart Simpson sowie ein Pin-up mit gelber Unterhose.
Albernheiten im Sommer
Die Farbpalette der Post-its ist reichhaltig, Schattierungen und Details lassen sich liebevoll, wenngleich pixelig, nachbilden. In den Materiallagern der Unternehmen liegen anscheinend sämtliche Nuancen auf Vorrat. Tatsächlich sind die Franzosen ein klebebegeistertes Volk: Sie rühmen sich, als erste Nation der Welt die Klebezettel benutzt zu haben, als diese vor 31 Jahren erfunden wurden. Mehr als 40 Millionen Blöcke kaufen sie im Jahr und sind damit die größte Kundennation. Ob die Jahresproduktion 2011 ausreicht, sei jetzt fraglich, witzelte bereits die Boulevardzeitung "Le Parisien".
Der Post-it-Krieg breitet sich täglich aus, der Pariser Stadtteil La Défense ist längst ein zentraler Schlachtplatz. Dort, wo Frankreichs Konzerne ihre Zentralen in kühl-futuristischen Hochhäusern unterhalten und ein ruppiger Wind über die weiten Flächen fegt, liefern Angestellte sich farbenfrohe Gefechte. "Wir sind stolz drauf, auch wenn das eine etwas primitive Form der Kommunikation ist", sagen Bürokünstler im Fernsehinterview des Senders Dailymotion.
Der Wettkampf um das schlagkräftigste Bild wird längst auch virtuell geführt. Auf einer eigenen Website reichen Kombattanten täglich neue Fotos ein, fast 1000 Bilder birgt mittlerweile das Archiv. Auf Facebook haben mehr als 21.000 Menschen den Daumen gehoben für den Krieg der Klebezettel, Blogs häufen Kommentare an zu neuen Mosaiken.
Die neue Form der Büroarbeit kostet durchaus Zeit. Vorgesetzte sehen sie dennoch mit Wohlgefallen. Im Sommer, wenn weniger zu tun sei, sollte man den Leuten ruhig ihre Albernheiten lassen, sagt François Schmitt, stellvertretender Direktor von Eurosport Frankreich. Im Angesicht geklebter Kampfroboter entdecken selbst die Chefs noch ihre liebenswerten Seiten