SpOn hat geschrieben:Vor einer Woche aber gelang Davis ein kleiner Clou. In einem Text zu seinen YouTube-Videos schreibt er: "Habe gerade eine wirklich seltsame und großartige Entdeckung gemacht. Wenn man eine EXE-Datei in ein Soundprogramm importiert, hört man allerlei coole Sachen."
Cool? Wohl eher schrill!
Am besten klingt MS Paint, das minimalistische Zeichenprogramm von Windows 7. Aus infernalischem Kreischen und hohlem Rauschen erhebt sich ein dunkler Basslauf, unterbrochen von Minimal-Rhythmen und kurzen Melodien, die an alte Computerspiele erinnern.
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Dieses Video inspirierte wohl den einen oder anderen dazu, gleich selbst Programmdateien in den Importfilter zu füttern. Bei YouTube und Soundcloud jedenfalls treffen immer mehr Beispiele ein.
SpOn hat geschrieben:
Mit Audacity gibt es ein umfangreiches, kostenloses und quellcodeoffenes Soundprogramm für Windows, OSX und Linux. Lassen Sie sich nicht von den vielen Funktionen verwirren: Zunächst interessiert nur die "Import"-Funktion.
SpOn hat geschrieben:
Im "Datei"-Menü finden Sie den Eintrag "Import"; klicken Sie dort auf "Rohdaten". Das bedeutet, dass Audacity alle Dateien quasi mit Gewalt als Audiodatei interpretiert. Alle, wirkliche alle Dateien lassen sich damit importieren.
Suchen Sie nun im Windows- oder ihren Programm-Ordnern nach einer idealerweise mehrere Megabyte großen Datei (im Bild: die Audacity.exe, 6,8 MB groß) und klicken Sie "Öffnen".
SpOn hat geschrieben:
Audacity will nun wissen, nach welchem Muster es die angegebene Datei interpretieren soll. Hier können Sie nichts falsch machen, unterschiedliche Codecs und Samplefrequenzen ergeben teils ganz unterschiedliche Interpretationen der Imports. Soundbastler Random Davis verwendet: Signed 16 Bit PCM, 2 Kanäle, 22050 Herz.
SpOn hat geschrieben:
Audacity hat nun die gewünschte Datei als sogenannte Wellenform importiert (zum technischen Hintergrund siehe unten), die Sie nun vielfältig bearbeiten können.
Hören Sie den Import erst einmal ab, indem sie die Leertaste drücken.
Typischerweise haben EXE-Dateien neben sehr interessanten Stellen auch lange Abschnitte mit weißem Rauschen. Markieren Sie diese Stellen mit dem Mauszeiger wie in einem Textprogramm und drücken sie die "Entfernen"-Taste ihrer Tastatur. Fehlschnitte können Sie mit "Strg+Z" rückgängig machen.
Entfernen oder dämpfen Sie allzu schrille Töne mit dem "Equalizer" im "Effekte"-Menü. Dort können Sie auch ein "Echo" hinzufügen und der Rausch- und Quietschorgie ein wenig Härte nehmen.
SpOn hat geschrieben:In PCM- oder WAV-Dateien werden Schallsignale als Kurve abgespeichert - in etwa so wie die Rillen auf Schallplatten, die von einer Nadel abgetastet werden. Die Punkte dieser Kurven werden horizontal und vertikal mit zwei unterschiedlichen Größen festgelegt. Die horizontale Ausdehnung bestimmt die Samplefrequenz, also wie oft pro Sekunde der aktuelle Zustand der Kurve gemessen wird. Vertikal wird die Bitrate eingetragen, also wie fein jeder Kurvenpunkt gemessen werden kann. Bei 16 Bit, 22050 Hz ergeben sich 22050 Messpunkte mit einer Genauigkeit von 16 Bit, also 65536 Unterteilungen. Je höher die Samplerate und Bit-Tiefe, desto genauer gibt die Waveform wieder, was sie abbilden soll.
Eine PCM-Datei ist nun nicht mehr als eine Tabelle mit Angaben, zu welcher Zeit sich die Kurve gerade wo befindet. Interpretiert man eine EXE-Datei wie solch eine Tabelle, dürfte nur wildes Rauschen zu erwarten sein. Dass es trotzdem musikalische, rhythmische Sequenzen gibt, erklärt sich "Chiptunes"-Experte Nils Dittbrenner mit der Programmcode-Struktur. Die wiederholt sich, ähnelt sich selbst, so dass Rhythmen und Phrasen entstehen.
Dass viele dieser vertonten Dateien große Rauschteile haben, hat hingegen einen ganz anderen Grund: Das ist ein Zeichen für komprimierte oder verschlüsselte Programmteile. Eine ZIP-Datei (oder auch die verschlüsselte Skype.exe) sind für Soundbastler reichlich uninteressant.